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Das Schattenkind

Das Schattenkind

Titel: Das Schattenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Alexander
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sich neben der Bibliothek befand. Auf in die Höhle des Löwen, dachte sie und klopfte.
    Eine ältere Frau öffnete ihr die Tür. Laura war ihr schon hin und wieder auf der Treppe oder in der Halle begegnet. Sie wußte, daß es sich bei ihr um Edwina, Lady Ireens Zofe ha n delte.
    "Lady Thorburn hat mich zu sich bestellt", sagte sie und versuchte den mißtrauischen Blick zu ignorieren, mit dem Edwina sie bedachte. Die Frau war ihr auf Anhieb unsympathisch gewesen. Sie hatte es Verschlag e nes, Falsches an sich.
    "Miß Newman, Lady Ireen", meldete die Zofe und trat be i seite.
    "Sie sind pünktlich, Miß Newman, das ehrt Sie", meinte Lady Thorburn herablassend. Sie saß in einem mit Chintz bezogenem Sessel und hatte bis jetzt gelesen. Betont langsam legte sie ihr Buch beiseite. "Treten Sie etwas näher." Unverhohlen musterte sie die junge Frau. "Mein Schwager sagte mir, Sie kämen aus Italien und wären uns von Mistress Winslow empfohlen worden."
    "Ich habe auf Capri gelebt, Lady Thorburn", erwiderte Laura und bemühte sich, sich nicht anmerken zu lassen, wie empörend sie es fand, dermaßen unhöflich behandelt zu werden. Sie hatte zumindest erwartet, daß ihr Lady Ireen Platz anbieten würde.
    "Soll ich gehen, Lady Ireen?" fragte die Zofe.
    "Nein, du kannst ruhig bleiben, Edwina", erwiderte ihre Herrin. "Was ich mit Miß Newman zu besprechen habe, kann jeder hören." Sie wandte sich wieder Laura zu. "Da ich überzeugt bin, daß man Schw a ger Sie nicht eingestellt hätte, wenn an Ihnen auch nur das Geringste auszusetzen wäre, halten wir uns also nicht damit auf, Ihren Werd e gang zu überprüfen." Sie griff nach ihren Zigaretten. Edwina reichte ihr Feuer.
    Laura hatte zuerst befürchtet, Lady Ireen könnte sie in Verbindung zu dem jungen Mädchen bringen, das in Italien die Geliebte ihres Mannes gewesen war, doch jetzt merkte sie, daß sie sich umsonst So r gen gemacht hatte. Ganz sicher hatte Lady Ireen von ihrem Mann ke i nen Namen und keine Einzelheiten wissen wollen. Ihr war nur das Kind wichtig gewesen, um ihre Stellung auf Thorburn festigen zu können.
    "Sicher haben Sie inzwischen festgestellt, daß es sich bei David um ein überaus schwieriges Kind handelt, das eine sehr feste Hand braucht, Miß Newman", fuhr Lady Ireen fort. Sie drückte die ang e rauchte Zigarette in einem gläsernen Aschenbecher aus. "Obwohl ich natürlich keinesfalls Miß Eden, Davids bisherige Gouvernante ankl a gen möchte, sie hat es zuweilen an der notwendigen Strenge fehlen lassen." Sie blickte Laura ins Gesicht. "David wird einmal eine bede u tende Rolle im Leben spielen, deshalb ist es doppelt notwendig, ihm nichts nac h zusehen."
    "Ich komme sehr gut mit Ihrem Sohn zurecht, Lady Thorburn", wandte die junge Frau ein.
    "Mir ist vor allen Dingen wichtig, daß er erzogen wird, Miß N e wman", unterbrach sie die Lady. "Mein Sohn muß Sie respektieren, alles andere ist nebensächlich. Unter anderem sollten Sie auch darauf achten, daß David nicht wie ein Wilder durch den Park tobt. Immerhin soll er zu einem Gentleman erzogen werden und nicht zu einem Ba u ernburschen. Bitte, richten Sie sich danach."
    Laura gelang es kaum, ihre Wut zu beherrschen. Am liebsten hätte sie dieser arroganten Frau ins Gesicht geschrien, was sie von ihr hielt, aber sie mußte an David denken. Sie durfte es nicht riskieren, von Thorburn Hall g e wiesen zu werden.
    "Wie Sie wünschen, Mylady", preßte sie zwischen den Lippen he r vor.
    Lady Ireen stand auf. Sie trug ein elegantes Nachmittagskleid aus schwarzen Georgette und dazu eine einreihige Perlenkette. Auch ihre Strümpfe und ihre Schuhe waren schwarz, ja selbst ihre Taschentücher wurden von schwarzer Spitze umrandet. Wenn Laura sie nicht für eine große Heuchl e rin gehalten hätte, wäre sie beeindruckt gewesen.
    "Sie können gehen, Miß Newman." Lady Ireen machte mit der rechten Hand eine Bewegung, als würde sie ein lästiges Insekt ve r scheuchen.
    Laura atmete erleichtert auf, als sich die Tür des Boudoirs hinter ihr schloß. In ihrem Zimmer wartete der Tee auf sie, aber sie brauchte jetzt erst einmal frische Luft. Sie befürchtete zu ersticken. Nie zuvor in ihrem Leben war sie einem unangenehmeren Menschen begegnet als Davids angeblicher Mutter. Eilig verließ sie das Haus und wandte sich den Klippen zu.
    Wie hatte Samuel nur so eine Frau heiraten können? Obwohl er sie nur benutzt hatte, um einen Erben für Thorburn Hall zu zeugen, hielt ihn Laura noch immer für einen warmherzigen Menschen.

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