Das Schicksal des Highlanders
müssen ich und Maldie miteinander ausmachen.«
»Sie ist auf der Ostseite des Sees.«
Balfour versuchte, seine Überraschung nicht zu zeigen, als der Mann aufstand. »War es das? Kein Fragen mehr? Ihr fragt mich nicht einmal nach meinen Absichten?«
Colin lächelte nur. »Ich glaube, sie sind allesamt ehrbar, sonst hättet Ihr das Mädchen nicht ausfindig gemacht. Ihr hättet sicher nicht hier gesessen und geduldig versucht, meine Fragen zu beantworten, von denen einige recht unverschämt waren. Wenn Ihr allerdings nur vorhabt, das Mädchen weiter zu beschämen, werdet Ihr mein Land nicht lebend verlassen. Nun seht zu, dass Ihr das törichte Gör zum Abendessen herbringt. Sie hat in letzter Zeit nicht genug gegessen.«
Balfour musste fast lachen. »Maldie mag zwar nicht bei ihren Verwandten aufgewachsen sein, aber ich beginne zu begreifen, was es bedeutet, wenn die Leute sagen: Blut ist dicker als Wasser.« Als er den Saal mit großen Schritten verließ, konnte er Colin lachen hören.
Sobald er sein Pferd bestiegen hatte, musste er all seine Willenskraft aufbieten, um die Burg der Kirkcaldys auf dem Weg zum See nicht im Galopp zu verlassen. Die Vorstellung, dass Colin seine Eile sehen oder davon hören könnte und herzhaft lachen müsste, gab ihm die Kraft, so zu tun, als ob es ihm nicht eilig wäre. Außerdem befürchtete er, dass Maldie gewarnt sein und Zeit haben könnte, sich zu verstecken oder gar zu fliehen, wenn er sich dem See in gestrecktem Galopp näherte. Bei der Suche nach ihr noch mehr wertvolle Zeit zu verlieren war das Letzte, was er wollte. Es war höchste Zeit, dass sie damit aufhörte, nur Vermutungen über seine Gedanken und Gefühle anzustellen, und endlich still dasaß, um sich anzuhören, was er zu sagen hatte.
Maldie seufzte, machte einen Köder an ihre Angelschnur und ließ sie ins Wasser fallen. Seitdem sie wieder im Land ihrer Verwandten war, hatte sie viele Tage damit verbracht, am Ufer des Sees im weichen Gras zu liegen und so zu tun, als ob sie fischte. Ein paar Mal hatte sie sogar etwas gefangen, aber nur durch Zufall. Sie gab vor zu fischen, um allein sein zu können. Ihr Onkel war ein sehr kluger Mann, und sie vermutete, dass er ihr Spiel durchschaute, aber er sagte nichts. Ab und zu erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf einen ihrer vielen Verwandten und wusste, dass sie beobachtet wurde, aber es war ihr eigentlich egal. Die Wachen, die ihr Onkel um sie aufgestellt hatte, störten sie nie in ihrer Einsamkeit, und deshalb sah sie keinen Grund, sich zu beschweren.
Einerseits war sie noch immer über alle Maßen froh, dass sie ihre Familie gefunden hatte und von allen so freundlich aufgenommen worden war. Andererseits fiel es ihr manchmal schwer, sich in einer solch großen Familie zurechtzufinden. Sie war daran gewöhnt, allein zu sein und mit niemandem außer ihrer Mutter sprechen zu können. Und die war oft genug entweder nur mürrisch und still oder spitzzüngig und wütend gewesen. Im letzten Jahr vor ihrem Tod war Margaret so oft übellaunig gewesen, dass Maldie kaum mehr mit ihr gesprochen hatte. Und nun war sie plötzlich von ausgelassenen und freundlichen Menschen umgeben, die gerne redeten. Deshalb flüchtete sie sich hin und wieder an den stillen See und nahm sich die Zeit, allein mit ihren Gedanken zu sein.
»Ich weiß ja nicht, warum ich mir das immer wieder antue«, murmelte sie ihrem Spiegelbild in dem ruhigen klaren Wasser zu. »Ich sollte lieber vor all dem verdammten Mist weglaufen, der mir im Kopf umgeht.«
Balfour spielte noch immer eine wichtige Rolle in ihren Gedanken, und das ärgerte sie. Sie hatte ihn seit einem Monat nicht mehr gesehen, und dass er sie in den Armen gehalten oder geküsst hatte, lag noch länger zurück. Er sollte sie nicht so verfolgen, zumindest nicht so intensiv und so häufig. Sie liebte ihn, aber diese Liebe war nicht erwidert worden. Sie hatten sie sich noch nicht einmal eingestanden. Und dieses Gefühl war seit Wochen weder durch Worte noch eine Berührung oder auch nur durch den Anblick Balfours gestärkt worden. Maldie verstand nicht, warum ihr störrisches Herz nur so widerstrebend von diesem Mann lassen wollte.
Es tat weh. Beinahe hasste sie ihn schon dafür, aber sie wusste, dass es nicht sein Schuld war, zumindest nicht zur Gänze. Er hatte ihr keine Versprechungen gemacht und nie von etwas anderem gesprochen als von der Leidenschaft, die sie teilten. Von Zeit zu Zeit hatte sie versucht, sich selbst zur Räson zu rufen,
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