Das Schicksal in Person
hier bleiben will. Es gibt Verschiedenes, was ich nur hier an Ort und Stelle nachprüfen kann. Es kann sein, dass ich gar keinen Erfolg habe, deswegen hat es keinen Sinn, dass ich es Ihnen jetzt schon erkläre. Und was haben Sie vor?«
»Ich möchte nach London zurück. Ich habe dort zu tun, es wartet Arbeit auf mich. Es sei denn, ich könnte Ihnen hier helfen.«
»Nein«, sagte Miss Marple. »Im Augenblick wohl nicht. Ich nehme an, Sie wollen selbst vielleicht auch noch einige Nachforschungen anstellen.«
»Ich bin hierher gekommen, um Sie zu treffen, Miss Marple.«
»Und nun haben Sie mich getroffen und wissen, was ich weiß oder beinahe alles, was ich weiß, und nun müssen Sie sich um andere Dinge kümmern. Das verstehe ich. Aber ehe Sie abreisen, sind da noch ein oder zwei Punkte, die… nun, die vielleicht ein Hinweis sein könnten.«
»Aha! Sie haben eine Vermutung?«
»Ich denke an das, was Sie über mich gesagt haben.«
»Sie haben irgendwo den Hauch des Bösen gespürt?«
»Es ist schwierig«, sagte Miss Marple, »dahinter zu kommen, was es wirklich bedeutet, wenn etwas Böses in der Luft liegt.«
»Aber Sie haben das Gefühl, dass etwas nicht stimmt?«
»Ja, sehr sogar.«
»Und besonders seit Miss Temples Tod, dessen Ursache natürlich kein Unfall war, ganz gleich was Mrs Sandbourne darüber denkt.«
»Ja«, sagte Miss Marple. »Es war kein Unfall. Ich glaube, ich habe Ihnen noch nicht berichtet, was Miss Temple mir erzählte. Sie sagte, sie sei auf einer Pilgerfahrt.«
»Interessant«, meinte der Professor. »Wirklich interessant. Aber sie hat Ihnen nicht gesagt, was für eine Pilgerfahrt das war? Wohin oder zu wem?«
»Nein. Wenn sie noch etwas länger gelebt hätte und nicht so schwach gewesen wäre, hätte sie es mir vielleicht gesagt. Doch sie starb vorher.«
»Und deswegen haben Sie nun keine Ahnung, was Sie von der Sache halten sollen?«
»Ja. Ich habe nur das sichere Gefühl, dass ihrer ›Pilgerfahrt‹ in böser Absicht ein Ende gemacht wurde. Irgendjemand wollte nicht, dass sie ihr Ziel erreichte, wer oder was das auch war. Man kann nur hoffen, dass der Zufall oder die Vorsehung Licht in die Sache bringen werden.«
»Das ist der Grund, weswegen Sie hier bleiben?«
»Nein, nicht nur deswegen«, sagte Miss Marple. »Ich möchte über diese Nora Broad noch einiges herausfinden.«
Der Professor schaute sie überrascht an. »Nora Broad?«
»Das andere Mädchen, das ungefähr zur gleichen Zeit verschwand wie Verity Hunt. Sie erinnern sich doch, dass Sie mir davon erzählten? Ein leichtes Mädchen mit vielen Männerbekanntschaften. Ein dummes Mädchen, das sehr auf Männer gewirkt haben soll. Ich glaube, dass es mir weiterhilft, wenn ich etwas mehr über sie herausbrächte.«
»Ganz wie Sie wünschen, Inspektor Marple«, sagte Professor Wanstead.
Der Gottesdienst fand am nächsten Morgen statt. Alle Mitglieder der Reisegesellschaft hatten sich eingefunden. Miss Marple schaute sich in der Kirche um. Mrs Glynne war da und ihre Schwester Clotilde. Anthea, die jüngste, war nicht dabei. Auch einige Dorfbewohner schienen gekommen zu sein, denn Bekannte von Miss Temple konnten es kaum sein, eher Leute, die die Neugierde hergetrieben hatte. Außerdem entdeckte sie einen alten Geistlichen, einen breitschultrigen Mann mit einer schönen weißen Haarmähne. Er musste kranke Beine haben, denn nicht nur das Knien machte ihm Mühe, sondern auch das Stehen. Ein feines Gesicht, dachte Miss Marple und überlegte, wer er war. Vielleicht ein alter Freund von Elizabeth Temple, der von weither gereist war, um am Gottesdienst teilzunehmen?
Als sie die Kirche verließen, wechselte sie ein paar Worte mit den anderen Reiseteilnehmern. Sie wusste inzwischen genau über deren Pläne Bescheid. Die Butlers kehrten nach London zurück.
»Ich habe Henry erklärt, dass ich einfach nicht mehr weiterreisen kann«, sagte Mrs Butler. »Ich habe immer das Gefühl, dass hinter jeder Ecke jemand lauert, der auf uns schießen oder uns mit Steinen bewerfen will. Vielleicht jemand, der etwas gegen die englischen Schlösser hat.«
»Aber, aber, Mami«, sagte Mr Butler. »Glaubst du nicht, dass deine Phantasie mit dir durchgeht?«
»Ach, man weiß doch nie! Es passieren so viele Raubüberfälle, Entführungen, Einbrüche, dass man sich nirgends mehr sicher fühlt.«
Die alte Miss Lumley und Miss Bentham wollten die Reise fortsetzen, denn sie hatten sich inzwischen wieder beruhigt.
»Wir haben so viel für diese
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