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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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hat.
    Dieser Raum ist etwa dreißig Meter lang, zwanzig Meter breit und fünf Meter hoch, also um einiges größer als der erste. An der hinteren Wand entdecke ich zahlreiche Regalfächer. Der Fußboden ist mit weichen, viereckigen Matten gepolstert, die in mehreren Reihen nebeneinanderliegen. Als ich mit dem Fuß eine Matte anstupse, fällt mir auf, dass sie, wie alle anderen auch, hinten mit einer Stange ausgestattet ist, an der ein Gespinst aus netzartigem Stoff befestigt ist. All diese Gespinste sind derzeit hochgezogen und an ihren Stangen festgezurrt, aber man kann sie herunterlassen und in diese Kokons hineinkriechen. Bei Schwerelosigkeit kann man ungefährdet darin schlafen. Und wenn die Schwere zurückkehrt, kann man sich ja auf den Matten ausruhen. Allerdings sind keine Decken zu sehen. Vielleicht hüllt man sich hier in Schlafsäcke ein? An der vorderen Wand baumeln viele graue Säcke an Kordeln von Haken herunter.

    Vermutlich ist das ein Quartier für Menschen. Möglich, dass sie diesen großen Raum als Basislager für ihre Expeditionen nutzen. Sie besorgen sich Schlafsäcke und Vorräte und lassen sie hier zurück. Sicher gibt es auch jemanden, der darauf aufpasst.
    Allerdings wirkt dieser Raum genauso verlassen wie der erste. Eines scheint mir klar: Das Monster, das sich das Mädchen und die beiden anderen geschnappt und Pushingar in den Eingang meiner Seifenblase verfrachtet hat, würde nicht durch die Öffnung der verklemmten, zusammengeschmolzenen Tür passen. Ich hab’s ja selbst kaum hindurch geschafft.
    Erneut spüre ich den schon vertrauten Schub und den Sog nach draußen. Schnell halte ich mich an einer Stange und deren Kokon fest, als mit der Rotation die Schwere zurückkehrt. Allerdings macht sich mein Gewicht hier weniger bemerkbar als in den Außenregionen des Schiffskörpers. Ich habe gerade so viel Schwere, dass ich mühelos gehen kann. Nach wie vor ist es hier ziemlich kalt, doch zumindest sinkt die Temperatur nicht noch weiter ab.
    Während ich die Stange loslasse, in Gedanken bei dem, was die Säcke enthalten könnten, lenkt mich ein Summton ab. Irgendwie hat es die zusammengeschmolzene Tür geschafft, sich weiter zu öffnen – viel weiter. Jetzt steht sie bei fast zwei Dritteln ihrer maximalen Weite offen, zirka drei Meter, und der Spalt reicht vom Fußboden bis fast zur Decke. Folglich kann jetzt auch das eine oder andere Monster hindurch und hat freien Zutritt zu dem Raum, in dem ich mich gerade aufhalte.

    Zugleich hat sich eine andere, unbeschädigte Tür an der hinteren Seitenwand geöffnet und weist mir den Fluchtweg. Meiner Meinung nach allzu offensichtlich.
    Vorerst gehe ich zu den an den Haken baumelnden Säcken hinüber, um sie abzutasten. Die meisten sind leer, enthalten weder Nährriegel noch Wasserflaschen oder Bücher. Als ich in einem Sack etwas Weiches spüre, zerre ich ihn vom Haken und leere ihn auf dem Fußboden aus. Kleidungsstücke in knalligen Farben. Rot und blau, genau wie in der Traumzeit. Sauber, ohne Blutflecken. Erst halte ich mir den Overall vor den Körper, dann die Jacke. Da sie besser zu passen scheinen als Pushingars Klamotten, entkleide ich mich und ziehe beide Kleidungsstücke an. Sie passen nicht nur gut, sondern wirken geradezu maßgeschneidert. Als ich die Hände in die Taschen des Overalls stecke, finde ich in der rechten eine dünne, zerknitterte Folie – ein flaches, viereckiges Blatt aus Kunststoff, das wie dickes Papier aussieht. Auf einer Seite sind noch schwach graue Zeichen zu sehen, vielleicht war sie früher mal beschrieben. Quer über die andere Seite läuft ein roter Streifen.
    Ich verstaue die Folie wieder in der Hosentasche. Meiner Hosentasche. Auch die andere Tasche enthält ein kleines, viereckiges Blatt, das flach in meiner Hand liegt, aber dieses Blatt ist eine Spiegelfolie, in der ich mein Gesicht erkennen kann. Das Spiegelbild bestätigt, was ich bereits angenommen habe.
    Jedenfalls größtenteils.
    Ich besitze eine Nase, zwei Augen, wuscheliges schwarzes Kopfhaar. An meinen Wangen sind wunde Stellen
zu sehen. Dort hat sich die Haut gelöst, als ich nach meiner Befreiung aus dem Schlafsack und dem Kälteschlaf auf den vereisten Fußboden fiel und dort kurz liegen blieb. Das scheint Ewigkeiten her zu sein.
    Aber das ist nicht alles, was mir auffällt: Unterhalb des Haaransatzes, auf der Stirn, zeichnet sich unter der Haut ein flacher Knochenkamm ab. Als ich ihn abtaste, merke ich, dass dieser Kamm massiv ist und ich ihn mir

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