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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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hatte das Auto erreicht und verstaute
mich auf dem Beifahrersitz. Er ging außen herum, stieg ein und
warf den Motor an.
    »Ich hasse Säufer! Mein Vater war
einer. Meine Brüder sind Säufer. Säufer sind
Schwächlinge. Säufer sind feige. Und wenn so einer auch noch
Fahrerflucht begeht, gehört er für den Rest seines Lebens
hinter Gitter!« Während wir nach Hause fuhren, redete er
weiter auf mich ein.
    »Weißt du, daß in der
Südsee die Eingeborenen in Grashütten leben? Und wenn sie
morgens aufstehen, fällt ihnen das Essen von den Bäumen und
direkt vor die Füße. Sie brauchen es bloß aufheben und
zu essen. Kokosnüsse und Ananas. Diese Eingeborenen denken sogar,
die Weißen sind Götter! Sie fangen Fische und braten
Wildschweine am Spieß, und ihre Mädchen tanzen und haben
Baströckchen an und streicheln ihre Männer hinter den Ohren.
Golden State Creamery! Jaja — bei meinem haarigen Arsch!«
    Doch der Traum meines Vaters sollte nicht in
Erfüllung gehen. Sie erwischten den Mann, der mich angefahren
hatte, und steckten ihn ins Gefängnis. Er hatte allerdings eine
Frau und drei Kinder und keinen Job. Er war ein Säufer, bei dem
nichts zu holen war. Der Mann saß eine Weile ein, aber mein Vater
verklagte ihn nicht. »Einem mickrigen Rettich«, sagte er,
»kann man kein Blut ausquetschen!«

    15

    Mein Vater scheuchte die Kinder aus der
Nachbarschaft immer von unserem Haus weg. Mir wurde eingeschärft,
nicht mit ihnen zu spielen, doch ich ging oft die Straße runter
und sah ihnen beim Spielen zu.
    »He, Heini«, schrien sie, »warum gehst du nicht zurück nach Deutschland!«
    Irgendwie hatten sie herausbekommen, wo ich
geboren war. Das Schlimmste war, daß sie alle ungefähr in
meinem Alter waren und eine Clique bildeten, denn sie kamen nicht nur
aus derselben Gegend, sie besuchten auch dieselbe katholische Schule.
Sie waren ein ruppiger Verein. Sie spielten stundenlang
Tackle-Football, und fast jeden Tag lieferten sich zwei von ihnen einen
Faustkampf. Die vier auffälligsten Burschen waren Chuck, Eddie,
Gene und Frank. »He, Heini! Geh zurück zu deinen
Sauerkrautfressern!«
    Bei denen hatte ich keine Chance … Dann
zog ein rothaariger Junge mit seinen Eltern in das Haus neben Chuck. Er
ging auf irgendeine besondere Schule. Eines Tages saß ich gerade
draußen auf dem Bordstein, als er aus seinem Haus kam. Er setzte
sich zu mir. »Tag, ich heiße Red.« »Ich
Henry.«
    Wir saßen da und sahen den anderen zu, wie sie Football spielten. Dann sah ich mir Red näher an.
    »Wieso hast du ‘n Handschuh an deiner linken Hand?« fragte ich.
»Ich hab nur einen Arm«, sagte er.
»Die Hand sieht ganz echt aus.«
»Ist es aber nicht. Der Arm ist künstlich. Faß mal an.«
»Was?«
»Faß ihn ruhig an. Er ist künstlich.«
Ich faßte den Arm an. Er war steinhart.
»Wie ist das passiert?«
»Ich bin schon so auf die Welt gekommen. Der Arm ist künstlich, bis rauf zum Ellbogen. Ich
muß ihn anschnallen. Ich hab kleine Finger an meinem Ellbogen, mit Fingernägeln und allem,
aber ich kann nichts mit ihnen anfangen.«
»Hast du Freunde?« fragte ich.
    »Nein.«
»Ich auch nicht.«
»Wollen die da nicht mit dir spielen?«
»Nein.«
»Ich hab einen Football.«
»Kannst du ihn fangen?«
»Scheiße, und ob«, sagte Red.
»Dann hol ihn doch.«
»Okay …«
    Red ging in die Garage seines Vaters und kam mit
einem Football wieder heraus. Er warf ihn mir her. Dann ging er auf
seinem Vorgartenrasen einige Schritte zurück. »Los, wirf mal
…«
    Ich warf. Sein gesunder Arm legte sich darum,
dann sein verkrüppelter, und er hielt ihn fest. Der
künstliche Arm quietschte ein wenig, als er den Ball fing.
»Gut gemacht«, sagte ich. »Jetzt schmeiß mir
einen!«
    Er holte aus und warf. Der Ball zischte wie ein Geschoß heran. Ich hatte keine Mühe, ihn
festzuhalten, denn ich bekam ihn in die Magengrube.
»Du bist zu nah«, sagte ich. »Geh weiter zurück.«
    Endlich mal ein bißchen Übung im Werfen und Fangen, dachte ich. Es war ein richtig gutes Gefühl.
    Dann mimte ich den Quarterback. Ich büchste
nach hinten aus, stieß einem unsichtbaren Angreifer den Ellbogen
rein und warf. Der Ball eierte in einer Spirale durch die Luft und kam
zu früh herunter. Red rannte vorwärts, hechtete danach, bekam
ihn zu fassen, überschlug sich drei- oder viermal auf dem Rasen,
ließ den Ball aber nicht los. »Du bist gut, Red. Wie bist
du so gut geworden?« »Mein Vater hat mir’s
beigebracht. Wir trainieren viel.«
    Dann ging Red zurück und zog

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