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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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verbessert hatte,
beschlossen wir zu heiraten.
    Da einer Heirat damals eine Verlobung
vorauszugehen pflegte und dieser eine Vorstellung bei der Familie, einigten wir
uns, meine Eltern an einem Wochenende aufzusuchen. Um taktisch richtig
vorzugehen, fuhr ich am Samstag voraus, und meine Braut kam am Sonntag nach.
Ich hatte dadurch Zeit, meine Eltern vorzubereiten, und meine Eltern konnten
das Ganze innerlich verarbeiten. Als ich am Samstagabend zu Hause ankam, waren
meine Eltern bereits im Bett. Meine Mutter liebte solche überraschenden Besuche
nicht, denn als echte schwäbische Hausfrau brauchte sie eine Anlaufzeit, auch
wenn das Gastzimmer wie geleckt war, und der Kühlschrank fünf Besucher ohne
weiteres verkraftet hätte. Vor der elterlichen Schlafzimmertüre entspann sich
dann folgendes Gespräch:
    Mutter:
»Ja was auch, hast du nicht schreiben können?« Ich: »Ich habe doch.«
    Mutter: »Schau in deinen Taschen nach.«
    Ich: »Richtig, da ist der Brief, du
kannst ihn gleich lesen.« Wie schon öfters hatte ich keine Briefmarke zu Hause
gehabt und deshalb den Brief nicht eingeworfen. Ich erläuterte den Grund meines
Besuches, was meine Mutter veranlaßte aufzustehen und meinen Vater anzuweisen,
ein paar Flaschen Wein aus dem Keller zu holen, damit man »auch richtig
nachdenken könne«. Die Quintessenz des Nachdenkens war, daß meine Mutter mich,
als sie mich gründlich ausgeholt hatte, fragte, ob sie meiner Verlobten gleich
das Du anbieten sollte oder erst später. Ich gab ihr den salomonischen Rat, es
davon abhängig zu machen, wie sehr oder wie wenig ihr meine Braut gefällt. Als
ich am anderen Tag zum Bahnhof startete, bat mich meine Mutter, noch einen
kleinen Umweg zu machen, damit alles auch wirklich im Stande sei. Auch meine
Braut atmete nach ihrer Ankunft auf, daß ihr noch eine kleine Galgenfrist
geblieben war. Wir gingen am See spazieren, bis sie bemerkte, jetzt müßten wir
aber zu meinen Eltern gehen, sonst würden die Rosen welken. Zu Hause war dann
alles in Butter, meine Mutter hatte alle Vorbereitungen getroffen. Die Rosen
waren doch noch frisch, und die Braut fand den Beifall meiner Mutter, so daß
sie ihr schon beim zweiten Glas Wein das Du anbot. Am Abend wurden wir von der
Familie zum Bahnhof geleitet.
    Als meine Eltern nach Hause gingen,
beklagte sich mein Neffe über seine Jugend. Nach dem Grund gefragt, erklärte
er: »Dann hätte ich die Tante Hanna genommen.« Welche große Beruhigung für
mich, daß mein Konkurrent noch zu jung war. Die Tante Hanna blieb sein großer
Schwarm, bis er im Zweiten Weltkrieg sein junges Leben ließ, als er einen
Kameraden retten wollte.
    Bei unserer Hochzeit vergossen bei der
Trauung die beiden Mütter die üblichen Tränen. Das hinderte meine Mutter jedoch
nicht, mir nachher zu erklären: »Das war so feierlich, als die Hanna vor dem
Altar kniete und man die Sohlen ihrer neuen Schuhe sah. Und was hattest du? Ein
Loch in der Sohle.«
    Das bedrückte mich weiter nicht, als
wir uns diskret aus der Runde der Hochzeitsgäste zurückzogen, um die
Hochzeitsreise anzutreten. An diesem Abend fuhren wir noch nach Düsseldorf, in
die Studienstadt meiner Frau, um festzustellen, daß infolge einer Tagung alle
Hotels besetzt waren. Am nächsten Tag reisten wir nach Frankfurt, wo die
glückliche junge Frau den Palmengarten und den Zoo über sich ergehen lassen
mußte. Durch die Erfahrungen des Vortages gewitzt, bemühten wir uns wenigstens
rechtzeitig um Hotelzimmer. Wir fanden auch ein entzückendes kleines Hotel wie
aus dem Bilderbuch. Der Wirt eröffnete uns, daß er nur noch sehr einfache
Zimmer habe, die einem Hochzeitspaar nicht entsprächen. Außerdem hätte er noch
ein Hochzeitszimmer, das er uns sehr empfehlen könne. Wir sahen das Zimmer an
und waren begeistert. Die Freude war nur durch die gesalzene Rechnung getrübt,
die dieser Menschenkenner uns am anderen Morgen präsentierte. Am folgenden Tage
vertiefte ich unser junges Liebesglück durch eine Fahrt zum Park des
Heidelberger Schlosses, dem Botanischen Garten von Heidelberg und dem dortigen
Zoo. Als Krönung hatte ich mir den Besuch des Schwetzinger Schloßparks gedacht.
Als gegen Abend meine arme Frau bei der Moschee total erschöpft auf eine Bank
sank, hatte ich das dunkle Gefühl, in meiner Begeisterung etwas zuviel des
Guten getan zu haben.
    Wir hatten vorgesehen, die Nacht in
Stuttgart in unserem zukünftigen Heim in der Wilhelma zuzubringen, das zur Zeit
noch meine Junggesellenwohnung war. Als wir

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