Das Schlitzohr
nachts ankamen, stolperten wir
zuerst über einen ganzen Pflanzenwald, mit dem die Gärtner die bräutlichen
Gemächer dekoriert hatten. Am anderen Morgen wurden wir durch einen
scheppernden Wecker aus unseren Träumen gerissen. Ich Unglücksrabe hatte den
Wecker gestellt, um zu kontrollieren, ob die Gärtner auch pünktlich mit der
Arbeit anfingen, wenn sie mich auf Hochzeitsreise wähnten.
Als wir uns angezogen hatten, erklärte
ich, »nur mal schnell« in die Wilhelma zu gehen, während die junge Hausfrau den
Frühstückstisch richten würde. Da mich unterwegs einige Probleme gefesselt
hatten, kam ich glücklich umi/212 Uhr wieder zu Hause an. Hier fand ich eine
ziemlich erschütterte Ehefrau, deren neugebackener Ehemann nicht nur über drei
Stunden verschwunden war, sondern sie zu allem Unglück auch noch in das Haus
eingeschlossen hatte, so daß sie noch nicht einmal nach mir sehen konnte. Damit
war für meine Frau eine Zeit angebrochen, in der sie ein Menschenleben lang auf
ein großes Kind warten mußte, dem der Beruf ein solch spannendes und
wunderbares Erlebnis war, daß es darüber immer wieder Zeit und Ort vergaß.
Als wir 1935 heirateten, galt es
zuerst, unser Heim einzurichten. Das Wilhelmaschlößchen setzte sich aus vier
Gebäuden zusammen, die durch einen Wandelgang verbunden waren, dem maurischen
Landhaus mit den Wohnräumen des Königs, dem Festsaal, der Bildergalerie und dem
Küchengebäude, auch Kavaliersbau genannt. In diesem hatten wir im ersten Stock
unsere Wohnung. Ihre Räume waren im Stil eines Harems konzipiert. Die Fenster
begannen erst in 1,60 m Höhe, so daß man auf einen Stuhl steigen mußte, wenn
man hinaussehen wollte. In einem Zimmer war eine Eunuchennische, an den Decken
wechselten Stalaktitengewölbe und Arabesken einander ab. Die Räume waren über
vier Meter hoch. Unten fror man, während sich oben die Kerzen des
Weihnachtsbaumes vor Wärme umbogen. Wir nannten das Gebäude natürlich
Kavaliersbau, nur wenn ich wegen der Mietfestsetzung zu verhandeln hatte, war
es das Küchengebäude. Da ich den früheren Leiter der Wilhelma nicht aus der
eigentlichen Dienstwohnung in der Pragstraße verdrängen wollte, waren wir froh,
als er von sich aus eine kleinere Wohnung nahm und wir aus dieser kalten Pracht
ausziehen konnten. Wir ahnten damals ja nicht, daß dieses Gebäude nach dem
Zweiten Weltkrieg nahezu ein Vierteljahrhundert unser Heim werden sollte.
Der Prophet gilt
nichts im eigenen Lande
Inzwischen hatte die alteingefleischte
Intrige wieder eine neue Variante entwickelt. Das Bezirksbauamt hatte auf
höheren Druck einen alten Kämpfer eingestellt. Aufgrund seiner alten
Parteizugehörigkeit wurde er Betriebsobmann für die Arbeiter sämtlicher Gärten.
Dank seiner guten Beziehungen konnte er die unhaltbarsten Verdächtigungen sogar
in der Statthalterei Vorbringen. Diese war in der Villa Reitzenstein
untergebracht, deren Park von mir betreut wurde. Deshalb erhielt ich
rechtzeitig Nachricht, wenn wieder eine Stänkerei im Gange war. Meist waren die
Anklagen derart primitiv, daß es noch nicht einmal zu einer Untersuchung kam,
ja, daß ich nicht einmal dazu gehört wurde. So wurde zum Beispiel behauptet,
daß ich die Gärtner der Wilhelma schlecht behandelt hätte und ein unangenehmer,
schwieriger Vorgesetzter wäre. Im nächsten Satz wurde wörtlich erklärt: »Die
Gärtner der Wilhelma können dazu nicht vernommen werden, da sie durch ein Faß
Bier anläßlich der Hochzeit Schöchles bestochen wurden.« Das Niederträchtige
war, daß die Urheber solcher Verleumdungen nicht zur Rechenschaft gezogen und
bestraft wurden. Man ließ einfach alles auf sich beruhen, nach dem Grundsatz
teile und herrsche. So hatte ich ausreichend Gelegenheit, die Segnungen des
Dritten Reiches gründlich kennenzulernen. Deshalb war ich erleichtert, als ich
im Frühjahr 1940 eingezogen wurde und vor diesen Verdächtigungen endgültig Ruhe
hatte.
Von diesen Querelen abgesehen,
bereitete mir die Tätigkeit in der Wilhelma große Freude, zumal ich ganz ungewöhnliche
Erfolge und auch den Beifall des Ministeriums hatte. Der amtierende
Finanzminister, Dr. Alfred Dehlinger, stellte mir sogar seinen Verfügungsfonds,
den er als sparsamer Schwabe nicht aufgebraucht hatte, für die Wilhelma zur
Verfügung. Dafür konnte ich eine erstklassige Film- und Fotoausrüstung mit
Wiedergabegeräten erwerben, die mir bei der Werbung eine wertvolle Hilfe waren.
Einen ausgesprochenen Bärendienst erwies
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