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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Titel: Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Teufel
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Aufsagen spärlicher Notizen aus der Geschichte des jüdischen Volks,
womit das blöde Geschöpf unmöglich eine Vorstellung zu verbinden weiß, den
Schein eines religiösen Verständnisses zu erschleichen.«
    Das war gerade das Gegenteil
von dem, was Landenberger wollte, und ein böses Mißverständnis dessen, was er
mit seinem Religionsunterricht bezweckte. Er setzte sich hin und schrieb dem
Professor einen Brief, in dem er ihn einlud, die Anstalt in Winterbach zu
besuchen. Er sei gerne bereit, ihm zu zeigen, was er unter Religionsunterricht
verstehe und wie er ihn erteile.
    Der Erfolg dieses Schreibens
war, daß der Professor nun leibhaftig vor der Tür stand!
    Nach einer kurzen Begrüßung kam
er gleich zur Sache und bat Landenberger, es zu verstehen, wenn er aus seinem
Herzen keine Mördergrube mache:
    »Ich bin Ihrer Einladung gerne
gefolgt, zumal ich das Schwabenland kenne und liebe. Wie schön ist Ihr Remstal
in diesen Sommertagen! Aber der Grund meines Kommens ist, wie Sie ja wissen,
ein anderer. Ich bin ein Freund der Wahrheit, Herr Inspektor! Ich erinnere mich
eines Wortes der Bibel: ›Wir können nichts wider die Wahrheit, sondern für die
Wahrheit.‹ Und ich bin der Ansicht, es gehe gegen die Wahrheit, daß solche
schwachsinnigen Kinder, wie sie hier und anderwärts sind, mit Bibelsprüchen
gefüttert werden, mit denen sie gar nichts anfangen, weil sie sich keinerlei
Vorstellung von Land und Leuten, vom Sinn der Worte und Begriffe machen können.
Ich halte das, mit Erlaubnis gesagt, nicht bloß für ein Unrecht gegenüber den
Kindern, sondern auch gegen die religiösen Wahrheiten der Bibel selbst. Die
sind nichts für diese Kinder.«
    »Ich will Ihnen an einem
Beispiel zeigen«, antwortete Landenberger, »wie falsch Ihre Auffassung ist.
Haben Sie schon einmal eine Religionsstunde in einer Anstalt für Schwachsinnige
besucht?«
    »Nein, das nicht, aber ich kann
mir schon denken, auf was da Wert gelegt wird. Das ist mutatis mutandis wohl
nicht viel anders, als es schon bei uns in der Schule war.«
    »Dann tun Sie und Ihre Lehrer
mir leid, Herr Professor! Ich kann nur sagen, daß wir uns genau überlegen, was
wir unseren Kindern zumuten dürfen und was nicht. Es gibt ja verschiedene Grade
des Schwachsinns, und es ist für uns selbstverständlich, daß dort, wo völlige
Verblödung vorliegt, wir Lehrer an einer Grenze stehen, die wir nicht
überschreiten können und auch nicht wollen. Hier bleibt uns nichts als treues
Pflegen und — die Fürbitte. Wir sind keine Phantasten und keine Fanatiker,
gerade weil wir unsere Arbeit an den Kindern aus christlicher Liebe tun.
Andererseits wissen wir, daß bei unseren schwachsinnigen Kindern vor allem das
Gemüt verkümmert ist und daß es deshalb unsere Aufgabe ist, in erster Linie die
Kräfte des Gemüts zu wecken und zu stärken. Wie könnte das besser geschehen als
durch die biblischen Geschichten, die wir ihnen erzählen? Hier haben wir die
schönsten Stoffe für den Anschauungsunterricht, hier können wir ihr
Anschauungsvermögen entwickeln, ihre Vorstellungswelt erweitern und das Gemüt
der Kinder durch die verschiedensten Menschen, gute und böse, weise und
unweise, vor allem aber durch die edle Gestalt Jesu selbst, durch sein Reden
und Handeln, beeinflussen.«
    »Kann man dazu wirklich nur
biblische Stoffe, Bilder und Gestalten gebrauchen? Gibt es nicht auch weltliche
in genügender Zahl, die nicht weniger eindrucksvoll sind?«
    »Wir schließen solche
Geschichten und Gestalten, wie Sie sie im Auge haben, keineswegs aus. Aber —
und das ist der Punkt, wo unsere Wege sich trennen — wir sehen die Natur des
Menschen und seine Bestimmung anders als Sie. Wir nehmen unsere Kinder in ihrer
ganzen Gebrechlichkeit, mit allen ihren Schwächen und Fehlern, mit ihrer
Albernheit und ihrem Stumpfsinn als Geschöpfe Gottes, der ihnen ihre, wenn auch
noch so bescheidenen, Anlagen und Kräfte gegeben hat, ebenso wie die
Möglichkeit ihrer Entwicklung und Betätigung. Gewiß, wir erleben immer wieder
die Grenzen dieser Anlagen und Kräfte, aber auch die Schranken unserer eigenen
Fähigkeit, die Gemütskräfte, die auch in diesen Kindern schlummern, so zu
entwickeln, daß wir sie bis an die Grenze dessen führen, was ihnen zugemutet
werden kann. Und auch das scheidet uns wohl von Ihrer Betrachtung des Menschen,
daß wir um seine göttliche Bestimmung wissen. Wir glauben, daß der Schöpfer
auch an diesen Kindern seine bestimmten Absichten verwirklichen will, gerade
weil er

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