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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Titel: Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Teufel
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übermorgen. Nur eines war hier nötig: daß der Lehrer die Geduld
nicht verlor und immer wieder von neuem anfing oder etwas Neues ersann.
    Er führte sie an den Brunnen im
Hof. Er füllte einen Krug mit Wasser und leerte ihn wieder aus. Er goß sich das
Wasser über die Hände, er ließ es von oben herabträufeln, daß es spritzte. Er
wußte von seinen eigenen Kindern, wie gern sie in der Küche in einer Schüssel
planschten, während die Mutter kochte. Er hatte sich nicht getäuscht: Das
spritzende Wasser verfehlte seine Wirkung nicht. Was ließ sich damit alles
anfangen: Flaschen, Krüge, Gläser konnte man füllen und wieder ausleeren; bald
gluckste, bald strömte es, und zum Schluß kamen die einzelnen Tropfen. Es gab
Gießkannen, mit denen man Blumen gießen, Schläuche, mit denen man spritzen
konnte. Man machte dabei sich und andere naß, aber das erhöhte nur das Fest.
Schließlich konnte man sogar im Wasser ein Schiffchen schwimmen lassen, es an
einer Schnur im Brunnentrog auf und ab ziehen, es mit Steinen beladen usw.
    Zuletzt bekam man sogar noch
einen Hammer in die Hand, durfte einen alten Topf oder eine Nuß zerschlagen und
am Ende das Schwerste probieren: einen Nagel auf den Kopf zu treffen und in ein
Brett hineinzuschlagen.
    Als Landenberger erst einmal
erlebt hatte, wie es ihm auf solche Weise gelang, auch das stumpfsinnigste
Gemüt zu wecken, war er unermüdlich in immer neuen Erfindungen.
    Anfangs verstanden die Kinder
seine Worte nicht; er mußte sie durch Gebärden ersetzen, bis sie nach und nach
begriffen, was es bedeutete, wenn er sagte: »Hol den Ball, wirf den Ball, gib
mir den Ball!«
    Wie schwer war es, so an der
Grenze zu stehen, der Grenze des Sagbaren, Deutbaren, der Verständigung mit
seinen Kindern überhaupt! Aber wie lachte sein Herz, wenn sie ihn verstanden,
ja wenn sie seine Worte schließlich nachsprechen wollten und sie, wenn auch in
unartikulierten Lauten, einander zuriefen!
    Wichtig war ihm auch, daß sie
nicht einsam und vor sich hinbrütend dastanden oder am Boden lagen, sondern
miteinander spielen lernten. Darum ließ er sie zusammen gehen und marschieren,
nebeneinander, hintereinander, im Kreise, langsamer, schneller, auf ebenem
Boden, treppauf, treppab.
    Er war sehr froh, nach allen
diesen Bemühungen feststellen zu können, daß es ihm mit solcher Methode
gelungen war, eine Art Heilgymnastik zu erfinden, die den Tastsinn des Kindes
entwickelte, so daß es sich nicht bloß selbst beschäftigen konnte, sondern auch
Freude daran hatte.
    Aber auch damit begnügte er
sich nicht. Er wollte die Kinder auch unterrichten. Er wollte die Grenze, die
sie von dem gesunden und normalen Kinde trennte, immer weiter hinausschieben,
und jeder Durchbruch, der ihm hier gelang, erschien ihm so wichtig wie die
Entdeckung eines neuen Erdteils.
    Wenn seine Kinder nicht als
»tote Schlacke« durch die Welt gehen sollten, mußten sie in einer Vorschule für
die eigentliche Schule vorbereitet werden, und diese Arbeit war die entscheidende
für die Zukunft des schwachsinnigen Kindes.
    Er hat es selbst einmal
beschrieben, wie ihm dieser Durchbruch gelang.
    »Eines Tages brachte man uns
einen netten neunjährigen Buben, mit Namen Heinrich. Er galt als hoffnungslos
blödsinnig, verhielt sich, wie sich die meisten verhalten, wenn sie in die
Anstalt kommen, sonderte sich von den anderen ab, stierte vor sich hin, legte
sich auf den Boden und war völlig gleichgültig und apathisch. Lange zerbrachen
wir uns den Kopf, wie wir an den Buben herankommen könnten. Es dauerte auch
tatsächlich zwei Jahre, bis er jene Körperbewegungen uns nachmachen konnte, die
wir systematisch in unserer Heilgymnastik mit unseren Kindern übten. Als dies
gelungen war, nahm ich ihn in den Zeichenunterricht, denn erst hier lernt das
Kind ganz die Herrschaft über den Körper, erst hier wird sein
Anschauungsvermögen, sein Formensinn so weit entwickelt, daß es später einmal
das exakte Zeichnen in der eigentlichen Schule lernen kann und damit auch für
das Lesen und Schreiben vorbereitet wird. Ich nahm ihn also, wie einst der Herr
den Taubstummen, besonders und stellte ihn an die Tafel und zeigte ihm, wie er
auf ihr mit der Kreide hin und her fahren solle. Ich gab sie ihm in die Hand,
aber er ließ sie fallen und rührte sich nicht. Da führte ich seine Hand samt
der Kreide auf der Tafel hin und her. Dies war ein entscheidender Augenblick:
stellte er sich jetzt bockig oder setzte er sich gar zur Wehr, dann war alle
Mühe

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