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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Titel: Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Teufel
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Werkstätten für die
Schulentlassenen! Wie vorteilhaft wäre es gewesen, auch einzelne vermögliche
Pensionäre aufzunehmen! Es war nicht Eitelkeit und Großmannssucht, wenn
Landenberger immer wieder darauf hinwies, daß man in einer größeren Anstalt den
Kindern besser dienen könne als in einer kleinen, weil dann mehr Erfahrungen,
mehr Personal, mehr Mittel und Kräfte zur Verfügung ständen, als eine kleine
Anstalt sich leisten könne.
    Was tun?
    Wieder war es wie ein Wunder,
daß Landenberger gerade in jenen Monaten des Jahres 1863, wo die Verhandlungen
geführt wurden, mit einem Mann bekannt wurde, der ein sichtliches Interesse an
seiner Anstalt und Arbeit hatte, der selbst kinderlos war und seinem Leben wohl
ein sinnvolles Ende sichern wollte, indem er der Anstalt zu Hilfe kam. Es war
ein Hofrat aus Nürnberg. Er bot Landenberger an, der Anstalt 20 000 Gulden zu
schenken, und verlangte nichts dafür, als daß er in dem Schlosse mitwohnen und
bei der Verwaltung des Ganzen mitarbeiten konnte. Außerdem versprach er, bei
seinem Tode der Anstalt weitere 20 000 Gulden testamentarisch zu hinterlassen.
    Da war doch Gottes Hand im
Spiel! Wahrlich, sie konnten das Schloß getrost aus seinen Händen nehmen, denn
er selbst war es, der ihnen auf diese Weise die Wege ebnete.
    Jetzt mußte gehandelt werden.
Aber kurz vor Abschluß des Kaufvertrags wollte man in Stetten plötzlich wissen,
der König habe ein wesentlich höheres Angebot, als es die Anstalt je hätte
leisten können, aus der Schweiz erhalten. Alles schien wieder in Frage gestellt.
Sollte doch das Geld siegen über alle Hoffnungen, Wünsche und Gebete? Das
konnte Landenberger nicht glauben.
    Eines Abends sagte er zu seiner
Frau: »Morgen früh geh ich nach Stuttgart. Rentamt hin, Rentamt her — ich will
wissen, was der König sagt. Der hat doch das letzte Wort.«
    Noch vor dem Morgengrauen des
andern Tages machte er sich auf, um ganz gewiß bis um 11 Uhr in Stuttgart zu
sein. Er ging zu Fuß. Er sah die Sonne aufgehen. Es wurde ein heißer Tag. Ohne
Aufenthalt marschierte er, so daß er mit verschwitztem Kragen und staubigen
Schuhen vor dem Schloßportal ankam. Als der Posten ihn sah, wollte er ihn nicht
durchlassen. Aber der vermeintliche Handwerksbursche sagte mit todernstem
Gesicht, er komme in einer wichtigen Angelegenheit, es handle sich um das
Schicksal von Hunderten von Kindern, er bitte, beim König selbst gemeldet zu
werden. Der Posten rief dem Wachhabenden. Der sah ihn von oben bis unten an:
    »So wollen Sie vor Seiner
Majestät erscheinen?«
    »Ich komme in allerhöchstem
Auftrag«, erwiderte Landenberger, müde lächelnd. »Ich habe acht Stunden Wegs
hinter mir und keine Minute mehr zu verlieren! Bitte, melden Sie mich!«
    »Sagen Sie klar und deutlich,
wer Sie sind und was Sie wollen!«
    »Seiner Majestät ist mein Name
nicht unbekannt. Ich heiße Landenberger. Ich will das Schloß Stetten kaufen.
Dort soll eine Anstalt für Schwachsinnige eingerichtet werden.«
    Der Wachhabende tippte mit
seinem Finger an die Stirn: »Ich glaube, bei Ihnen stimmt’s selber nicht ganz.«
    Landenberger wurde ungeduldig:
»Wenn Seine Majestät erfährt, wie Sie mich behandeln, dann wird Sie das teuer
zu stehen kommen!«
    Vor dieser entschiedenen
Sprache wurde der Mann stutzig und lenkte ein. Er ließ ihn stehen: »Warten Sie,
bis ich wiederkomme.«
    Landenberger hatte Glück. Der
diensttuende Adjutant wußte von der Sache und befahl, den seltsamen Mann ins
Wartezimmer zu führen; er selbst begab sich zum König. Es dauerte nicht lange,
bis er wieder erschien:
    »Seine Majestät ist bereit, den
Herrn Inspektor zu empfangen.«
    Beim Eintreten verbeugte sich
Landenberger tief. War es Aufregung, die sich seiner bemächtigte, war es die
Anstrengung des Marsches, den er hinter sich hatte — ein Schwindel überfiel ihn
plötzlich, so daß er nach einer Stuhllehne greifen mußte:
    »Erlauben Majestät, daß ich
mich setze?«
    Der König, der in schlichtem
Zivil an seinem Schreibtisch saß, zog die Augenbrauen hoch und fragte erstaunt:
    »So müde, Landenberger?«
    »Verzeihung, Majestät, ich bin
seit heute morgen 3 Uhr unterwegs.«
    »Zu Fuß von Winterbach hierher?
Warum sind Sie nicht mit der Eisenbahn gefahren? Dazu haben wir sie doch
gebaut!«
    »Das ist für unsereinen zu
teuer. Majestät wollen mich recht verstehen: Ich spare für meine Kinder!«
    »Und was ist Ihr Begehr?«
    Landenberger atmete tief auf.
Er spürte, jetzt mußte er frei reden.
    »Um es gerade

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