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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Titel: Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Teufel
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glauben, aber in dem Schreiben aus Stuttgart stand es schwarz auf weiß!
    Und warum sollte es nicht
möglich sein? Warum sollte es ein solches Heim nur für die Gutsituierten und
die Vertreter der Wissenschaft geben? Hing der Wert einer Sache nicht von etwas
ganz anderem ab, nämlich von ihrer Wahrheit, von dem Ernst der Gesinnung, der
ihr diente, von dem Segen, der für leidende Menschen daraus entsprang, von
ihrer Stellung zum Reiche Gottes? Mußte er sich denn mit seinen Schwachsinnigen
schämen vor den erlauchten Namen, die dort genannt wurden? War es nicht ein
Werk der Barmherzigkeit, das bei ihm an vornehmen und geringen Kindern geübt
wurde und das nicht bloß den Kindern, sondern ungezählten Familien zugute kam?
Tat nicht gerade seine Anstalt etwas für die Erkenntnis und Behandlung der
menschlichen Natur, für die Heilung ihrer Gebrechen? Lieferte sie nicht einen
wichtigen Beitrag zur Verbesserung der menschlichen Verhältnisse? War sie nicht
eine Lebensschule, aus der allen Mitarbeitern reicher Segen für Geist und Herz
und eine Frucht für Zeit und Ewigkeit erwuchs?
    Er kannte es gut, dieses
Märchenschloß mit seinem herrlichen Park — aber er brauchte sich nicht davor zu
schämen!
    Doch wie hoch war der Preis?
Davon stand in dem Schreiben nichts. Was würde der Ausschuß sagen, der mit
seinem Rat, mit seiner Hilfe das ganze Unternehmen trug? Dessen Mitglieder für
alle Schulden, die etwa zu machen waren, persönlich haften mußten? Würde er ein
solches Risiko übernehmen können? In Winterbach hatten sie nicht bauen wollen;
aber vielleicht war es billiger, das alte Schloß zu erwerben, als einen Neubau
in Winterbach zu errichten? Ehe er mit den Mitgliedern des Ausschusses sprach,
mußte er auf dem Hofkammergut vorsprechen, sich an Ort und Stelle alles ansehen
und sich vergewissern, was ungefähr der Preis sein sollte.
    Gesagt, getan.
    Aber, wie es in solchen Fällen
zu gehen pflegt, der Herr Rentamtmann in Stetten rückte nicht sogleich mit dem
Preis heraus, sondern tat, als ob er auf ein Angebot der Anstalt zu warten
hätte. Er wolle nur seiner unmaßgeblichen Meinung Ausdruck geben, daß da wohl
unter 50 000 Gulden nichts zu machen sei, wobei er sich nicht ganz klar
ausdrückte, ob er damit das Schloß allein oder das ganze Anwesen meinte, wozu
außer dem Park alle Nebengebäude für die Landwirtschaft gehörten, mit einem
Areal von über zwölf Morgen! Vielleicht hätte er doch lieber einen anderen,
zahlungskräftigeren Käufer gesehen als diese armselige Anstalt, deren einziger
Reichtum schwachsinnige Kinder waren?!
    Das Schloß hatte ja seine
Geschichte. Vor zehn Jahren war es noch ein Erziehungsheim für besonders
Begabte gewesen. Früher hatten hier württembergische Herzoginnen in ihrem
Witwenstand residiert; manche fürstliche Person hatte hier gewohnt, von der
trefflichen Magdalena Sibylle an, die in den Fußboden ihres einfachen Gemachs
über der Kirche eine Öffnung machen ließ, um von da aus am Gottesdienst
teilnehmen und den Prediger sehen und hören zu können, bis auf den als
Naturforscher bekannten, als Arzt und Menschenfreund in dieser Gegend noch in
gesegnetem Ansehen stehenden Herzog Wilhelm. Aber auch jenes berüchtigte
mecklenburgische Freifräulein v. Grävenitz, die Mätresse des Herzogs Eberhard
Ludwig, »die Landesverderberin«, wie das Volk sie nannte, hatte von 1712 bis
1731 auf Schloß Stetten gewohnt und Schloß und Park mit ihren großartigen
Festen, Theatern, Bällen und Banketten erfüllt. Es half ihr nichts, daß sie in
einer frommen Anwandlung einmal den aufrechten Stuttgarter Hofprediger
Urlsperger bat, ihrer im sonntäglichen Kirchengebet zu gedenken, denn der
schlagfertige Pfarrer erwiderte nur, das habe er schon immer in der siebten
Bitte des Vaterunsers getan! Das alte Schloß war ihr nicht einmal groß und fein
genug, weshalb sie es noch durch den langen Nordwestbau vergrößern ließ. Sie
hätte jeden ausgelacht, der ihr gesagt hätte, daß in den so prunkvollen Zimmern
einmal schwachsinnige Kinder wohnen sollten.
     
    Es war verständlich, wenn die
Männer des Ausschusses davor zurückschreckten, der Anstalt eine so große
Schuldenlast aufzubürden.
    Auf der anderen Seite standen
freilich als ernste Mahnung die vielen Anmeldungen, die zurückgewiesen werden
mußten, weil Winterbach zu klein wurde, und die dringende Notwendigkeit, die
einzelnen Abteilungen noch mehr voneinander zu trennen, wozu Winterbach keinen
Raum bot. Wie wichtig war die Errichtung von

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