Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten
heraus zu sagen:
Ich wollte Majestät bitten, Schloß Stetten meiner Anstalt zu dem von uns
gebotenen Preis von 49000 Gulden zu überlassen.«
»Das ist alles? Da hätten Sie
sich den Weg sparen können. Ich weiß schon, welch edles Werk Sie an diesen
unglücklichen Menschen tun. Das Schloß gehört Ihnen!«
Landenberger erhob sich. Er
wollte ein Wort des Dankes sagen, aber der König fuhr fort:
»Schon gut. Ich wüßte keine
bessere Verwendung für dieses schöne Anwesen. Ich wünsche Ihnen Gottes Segen
für Ihre Arbeit.«
Damit war Landenberger
entlassen. Draußen sagte der Adjutant zu ihm: »Seine Majestät hat befohlen,
Ihnen ein Fuhrwerk für die Heimfahrt zur Verfügung zu stellen. Warten Sie bitte
vor dem Portal; es wird gleich vorfahren.«
Als der Wachhabende den Mann in
die königliche Chaise einsteigen sah, blieb ihm der Mund offenstehen.
»Schloß Stetten gehört uns« —
das war alles, was Landenberger an diesem Abend zu seiner Frau sagte. Erst
später erzählte er, wie es ihm ergangen war.
Wenige Tage nachher teilte das
Rentamt endgültig mit, der König habe das Angebot der Anstalt, Schloß Stetten
mit sämtlichem Zubehör um 49 000 Gulden zu erwerben, angenommen. Man habe es
nächst seiner landesväterlichen Güte dem unermüdlichen Eifer des Leiters der
Anstalt zu verdanken, daß Seine Majestät es den unglücklichsten unter seinen
Landeskindern zugute kommen lassen wolle.
So konnte der Kaufvertrag noch
im September 1863 abgeschlossen werden, und bald darauf wurden der Anstalt die
Rechte einer juristischen Person verliehen. Der Kaufvertrag war so günstig wie
möglich: 17 000 Gulden sollten auf 1. Juli 1864 angezahlt werden, der Rest von
32 000 Gulden war zu 3½ Prozent zu verzinsen und in 10 Jahresraten zu tilgen.
Als die Anstalt am 21.
September 1864 ihr erstes Jahresfest in Stetten (das 16. in ihrer ganzen
Geschichte) feierte, gedachte Inspektor Landenberger in dankbarer Liebe des
inzwischen verstorbenen Königs, »dessen Gnade die Anstalt seit ihrer Gründung
so viel Unterstützung verdankte und dessen hochherzigem Sinn es keine
Entweihung dieser Räume schien, sie den Zwecken der Anstalt zu überlassen«. Das
dreiflügelige Schloß enthalte über 80 Gemächer, mit drei Nebengebäuden, welche
gleichfalls über 30 Zimmer hätten. Es sei »in einer reizenden Park- und
Gartenanlage gelegen, das Ganze mit einer Ringmauer umgeben, welche über 10
Morgen einschließt«. Der Erwerb des Schlosses werde so finanziert, daß die
öffentliche Wohltätigkeit nicht in Anspruch genommen und alle Liebesgaben, wie
bisher, für die Heilung, Bildung und Pflege verwendet würden.
Landenberger war am Ziel seiner
Wünsche, als sich an diesem Tag die Gemeinde zum erstenmal in der Schloßkapelle
versammelte, über deren Eingang die Festinschrift stand: »Wie lieblich sind
deine Wohnungen, Herr Zebaoth!« Er erzählte, daß sie Mitte Mai des Jahres mit
60 Kindern, in mehreren Abteilungen, in Stetten eingezogen seien. Es sei ein
schweres Werk gewesen; in mehr als 30 zweispännigen Wagen habe man den gesamten
Hausrat in das Schloß überführt, die Kinder jeweils in einem Omnibus
(vielsitziger Wagen mit Pferdebespannung). Mit Gottes Hilfe sei alles glücklich
vonstatten gegangen, »nur ein Wagen mit Weißzeug fiel auf feuchtes Ackerland«.
Auch der Hofrat aus Nürnberg
zog mit ein. An ihm erlebte Landenberger allerdings eine bittere Enttäuschung.
Schon im Lauf der ersten Monate zeigte es sich, daß er mit dem Geist des Hauses
und seines Leiters nicht einverstanden war. Auch verlangte er, »daß er über die
Verwendung der von ihm zur Verfügung gestellten Mittel ohne Anhören des
Ausschusses mit Landenberger allein entscheiden dürfe«.
Das lehnte der Ausschuß ab; er
wollte die Verantwortung für die Leitung der Anstalt nicht aus den Händen
geben. Lieber verzichtete er auf die großherzige Schenkung und stellte damit
die Aufbringung der 17 000 Gulden in Frage, die als Angeld zu bezahlen waren. —
Was sollte geschehen?
Der Hofrat beharrte auf seinem
Standpunkt. Er verweigerte die Auszahlung der versprochenen 20 000 Gulden und
zog sein Erbversprechen zurück. Auf 1. Juli waren 17 000 Gulden fällig. Woher
sollte das Geld kommen? Es war eine verzweifelte Lage. Aber wieder geschah ein
Wunder. Ein Herr Koch aus Pforzheim stellte gerade noch zur rechten Zeit ein
Darlehen von 17 000 Gulden, verzinslich zu 4 Prozent, zur Verfügung.
Der Hofrat zog ab. Und im
Jahresbericht 1865 sagte Landenberger: »Sehen wir
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