Das Schloss Im Moor
Seele. Blauschwarz das
üppige Haar, fast ohne Zugeständnis an moderne Frisur, eher absichtlich schlicht gehalten. Die Dame trug dunkle
Seide, eng anliegend, eine wundervolle Büste wird knapp umspannt und läßt entzückende Reize erkennen.
Ein leiser Veilchenduft weht von dieser Sylphidengestalt, die geschaffen ist, Männeraugen zu verwirren.
Theo schwamm in einem Wonnetaumel in Gesellschaft dieses herrlichen Weibes. Vergessen ist die arme Eugenie, die, selbst
wenn sie noch lebte, nicht mit Senta, der Göttlichen, verglichen werden könnte. Seine Gedanken wirbelten
durcheinander. Jener Hoheit Sympathie für dieses Götterweib begriff Theo, er fühlt ja selbst eine Sympathie,
die vielleicht morgen schon zur lodernden Liebesglut gesteigert sein wird, ein Herzklopfen, so wild und stürmisch,
daß er vor Lust und Verlangen schielen, das herrliche Weib an sich ziehen, drücken und küssen möchte,
selbst wenn er im selben Augenblick mit Senta und dem Schiff versinken müßte in die Tiefe des Meeres.
Wurm mahnte zum Aufbruch. Er sagte zu Theo, daß schlechte See zu erwarten und es angezeigt sei, die Kajüten
aufzusuchen.
Etwas besorgt erhob sich Fräulein Senta sogleich, und damit war auch für Theo das Signal gegeben, aufzubrechen.
Heulende Windstöße empfingen die Passagiere, die »Venus« stampfte schwerer See, einem bösen
Nachtgewitter, entgegen. Jäh wich alle Liebesglut, Theo vermochte sich kaum mehr zu verabschieden und wankte hinweg, dem
Meergott den ersten Tribut zu entrichten und dann seine Kabine aufzusuchen, um darin eine Nacht des Jammers und physischen
Elends zu durchwachen.
Marenda und Pranzo gingen, unbeachtet von den meisten Schiffspassagieren, vorüber, Theo fühlte sich so elend,
daß er den ganzen Tag und auch am Abend unsichtbar blieb; er befolgte Wurms Rat und unterzog sich einer Hungerkur, die
ein Heilmittel gegen die Seekrankheit sein soll.
Der dritte Tag brach an, die »Venus« befand sich am Eingang zur klippenreichen Meeresenge von Korfu, und
unfreundlich präsentierte sich der Himmel Joniens, nebeldrohend, somit im Gebiete der prallen Felswände schwere
Gefahr bietend.
Als Theo auf Deck kam, stand der Kapitän auf der Kommandobrücke, um persönlich scharfen Auslug zu halten
und das Schiff in den schmalen Kanal zu bringen. Die ernste Miene des Kommandanten rief sowohl bei Theo wie bei anderen
Passagieren Besorgnis hervor, auch Fräulein Senta, in einen eleganten Mantel gehüllt, verhehlte die Angst vor der
Kanalfahrt nicht, als sie Theo zum Gruß die Hand reichte. Nur Wurm blieb gelassen, oder er heuchelte
Gleichgültigkeit und qualmte eine Zigarette in frischer Morgenluft. Wohin das Auge streifte, nichts wie Felsen, die eine
Höhe von fast 950 Meter erreichen, und Wasser ist zu sehen; die Steilstürze dieser Felskolosse scheinen so
nahegerückt, daß man glauben möchte, es sei unmöglich für ein Schiff, durch diese Enge sich
durchzuwinden.
Das Auge des Steuermannes ist nicht mehr auf den Kompaß gerichtet, der wetterharte braune Mann dirigiert das Steuer
nur noch nach Weisung des Kapitäns, der jetzt neben der Sprachrohrmündung steht und das Falkenauge vorwärts
richtet, dem grimmigsten Feind dieser Küstenfahrt, dem Nebel, entgegen. Die »Venus« fährt im tempo
lento und nimmt, gehorsam dem Steuer, die erste Kurve im Kanal. Ein Fluch entfährt dem Munde des Kommandanten, voraus
war Nebel in dicken Schwaden, ein Nebel, so dicht und schwer, daß man nicht mehr aus zehn Fuß vorausblicken
kann.
Jetzt war die Gefahr da, die nächste Viertelstunde konnte den Tod aller bringen, denn fällt das Schiff vom Kurs
ab, so fährt es an die Prallfelsen und muß zerschellen. Aber auch mitten im Kurs der Meerenge droht Verderben,
wenn sich gleich der »Venus« ein andres vom Nebel überraschtes Schiff im Kanal befindet und nordwärts
steuert, während die »Venus« gen Süden fährt. Auf einen Befehl des Kapitäns begann die Sirene
zu heulen, markerschütternd, die Angst und Sorge vermehrend.
Senta flüchtete zu Theo und umklammerte seinen Arm, das schöne Weib suchte Schutz beim jungen Schloßherrn,
dem vor Schrecken über die grauenhafte Situation die Zähne klappern. Selbst die Mannschaft stand unter dem Eindruck
drohender, schwerer Gefahr und stiert bleichen Antlitzes in den undurchdringlichen dicken Nebel.
In unerschütterlicher Ruhe stand der Kapitän auf seiner Brücke, der jetzt die Uhr in der linken, die
Spezialkarte des Kanals von Korfu in der
Weitere Kostenlose Bücher