Das Schloss Im Moor
jemanden erwischt. So bleibt die Ratazza während der ganzen
Reise in Tätigkeit und das Deck sauber. Der Besenmann hingegen fahndet nach Staub und Leuten, die Zündhölzer
wegwerfen. Theo mußte lächeln, als er sah, wie flink der Besenmann sein Instrument los ward und einem
Schiffsjungen einhändigte, der nun verblüfft den Besen betrachtete.
Auch zahlreiche Passagiere beobachteten die amüsante Szene, erfahrene Reisende mit großem Interesse, wissend,
daß der »Grünling« an Bord, der Junge, nun das Opfer verschiedenen Schabernacks werden müsse. In
der Tat nützte der Koch das letzte Licht und die zum Ulk reizende Situation und rief dem besenbewaffneten Schiffsjungen
zu: »Gallina verde!«
Die Passagiere lachten hell auf, betroffen stand der Junge, der mit der italienischen Schiffssprache noch nicht
genügend vertraut zu sein scheint. Doch »gallina« hat der Junge sofort verstanden, flink springt er dem
Platz zu, wo die Hühnersteigen mit lebendem Geflügel sich befinden, eifrig prüft er die Hühner auf ihre
Gefiederfarbe. Betrübt kam der Junge zurück und meldete dem Koch in holperigem Italienisch, daß ein
grünes Huhn sich nicht in den Steigen befinde.
Belustigt ob des Reinfalles lachen die Passagiere, und die Mannschaft johlt vor Vergnügen.
Theo empfand trotz der Komik dieser Episode Mitleid mit dem Jungen; doch nahm das herrliche Naturschauspiel des aus den
Fluten steigenden Mondes seine Aufmerksamkeit nun voll in Anspruch. Auch der Junge guckte wie verzückt, er mochte wohl
seine erste Fahrt in See machen und vergaß auf die nie schlummernde Spottlust bocchesischer Schiffsmannschaft.
Hell glänzte das Silberlicht der keuschen Luna auf der schimmernden See.
Wurm kam in Begleitung der Dame nun zu Theo und machte die Herrschaften miteinander bekannt. »Fräulein Senta
Camacero aus Florenz!« – »Herr Theo Tristner von Schloß Ried, Rittergutsbesitzer!«
Heiß drängte ihm das Blut zum Halse hinauf beim Anblick der reizenden, glutäugigen Dame, die
liebenswürdig und ohne Ziererei lächelnd, so daß blendend weiße Zähne glänzten, dem jungen
Herrn die Hand reichte. Wurms scharfer Blick beobachtete Theo, der in hilfloser Verlegenheit sich befand, weil er eine
Konversation in italienischer Sprache, zweifellos der Muttersprache der Schönen, nicht führen konnte. Holprig
stotterte Theo: »Grazie, Signora! Le sono molto obbligato della sua gentilezza, ma parlo solamente un poco italiano . .
.!
»Bitte, Herr Tristner, wir wollen deutsch sprechen!«
»Mit Wonne, Gnädigste! Ich dachte, als Florentinerin würden Sie der deutschen Sprache nicht mächtig
sein!«
»O doch, ich wurde in Florenz von deutschen Eltern geboren, habe sonst keine Gemeinschaft mit Italien, wenn ich
selbstverständlich auch italienisch spreche. Sie reisen, wie mir Herr von Wurm sagt, gleichfalls nach Korfu?«
»Eigentlich bin ich über die Ziele unsrer Fahrt im unklaren, ich fahre, sehe, bewundere und fühle mich im
höchsten Maße glücklich ob dieser Reise, so fremd mir auch alles ist.«
»Nun, dann gestatten Sie einer vielgereisten Dame, daß diese Sie etwas bemuttert, ja?«
»Mit größtem Vergnügen werde ich mich unter Ihre Fittiche begeben!«
»Gut! Ich schlage vor, wir feiern unser Zusammentreffen bei einem fiasco Chianti vecchio! Kommen Sie, meine Herren,
in den Speisesaal! Mir wird es auf Deck nun doch zu kühl!«
Wurm ließ seinem Chef bereitwilligst den Vortritt, Theo reichte der feschen Dame seinen Arm und schritt mit der
entzückenden Florentinerin voran. Wurm folgte hinterdrein und pfiff vergnügt, doch leise durch die Zähne.
Im luxuriös ausgestatteten Speisesaal bei Backwerk und ausgezeichnetem Chianti ward das Zusammensein eine
Festlichkeit, deren Zauber sich Theo willig hingab. Er vermeinte, niemals im Leben eine so schöne, entzückende,
reizvolle Dame gesehen zu haben, deren Liebenswürdigkeit fesseln mußte. Gewiß, Fräulein Camacero gibt
sich frei, ungezwungen, das bringt aber das Reisen mit sich, eine gewisse Selbständigkeit ist das Ergebnis vieler
Reisen; die Dame plaudert amüsant, taktvoll, geistreich, bekundet Wissen und läßt erkennen, daß sie
einer gewissen Gemütlichkeit, wie der Süddeutsche solche liebt, durchaus nicht abhold ist. Faszinierend ist das
Auge, sprühend, lodernd manchmal der Blick, wie sehnsüchtig verlangend. Doch nur selten traf ein sinnlich
glühender Blick Theo, die Lider mit langen Wimpern senkten sich, verhüllten den Spiegel der
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