Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Schloss Im Moor

Titel: Das Schloss Im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Achleitner
Vom Netzwerk:
erhalten. Ist aber solche Sehnsucht bereits
Liebe, die alles wagt und alles erträgt? Das Gefühl, das die Dichter Liebe nennen und oft wundersam zu schildern
verstehen, ein Gefühl, das erschüttert, aufregt, beseligt und tief unglücklich macht, der Götterfunke zum
Springen bereit – hat solches Gefühl der über einem strohtrocknen Strafgerichtsakt brütende Amtsrichter
wirklich im Herzen? Wahrscheinlich nicht oder nicht in der von den Dichtern vorgeschriebenen rechtmäßigen Weise,
denn Doktor Thein muß immer mehr an die Möglichkeit einer Ablehnung seines projektierten Antrages denken, und
dabei fröstelt es ihn. Einem gehörig Verliebten soll aber heiß um das Herz sein, der verliebte Mann soll
zittern, vor Seligkeit schwitzen und Gedichte an die Geliebte machen. Doktor Thein friert aber bei 20 Grad Celsius im
Schatten. Kann das Liebe sein?
    Das Auge haftet an der eingedruckten Stelle im Akt: »Der Eusebius Krimpelstetter ist hinreichend verdächtig . .

    Die Lippen flüstern aber das Diktum Anakreons; »Schlimm ist es, nicht zu lieben, schlimm aber auch, zu
lieben.«
    »Herrgott, welch ein Zustand!« brummte Doktor Thein und erwog die Frage, ob die Werbung nicht doch besser
unterlassen werden sollte. Ja, wenn man die Angelegenheit schriftlich, sozusagen halbamtlich, in Fluß bringen
könnte! Etwa mit der Anfrage des Bayrischen Amtsgerichtes, ob Fräulein Olga Tristner geneigt sei, gemäß
§ 254 des Bürgerlichen Gesetzbuches einen Vertrag zu schließen, und ob Frau Helene Tristner zu einer
Vertragssanktion gemäß § 1305 BGB. bereit sei? Wie einfach wäre das für beide Teile! Die Antwort
würde geradezu bequem sein, wenn beispielsweise Fräulein Olga auf das amtliche Schreiben brevi manu schreiben
würde: »Nach § 254 BGB. genehmigt.« Die Fahrt im Zylinder würde Thein ja von Herzen gern
bewerkstelligen und sich den Verlobungskuß holen. Aber Damen darf man bekanntlich nicht mit Paragraphen kommen, tut es
einer trotzdem, fällt er sicher mit Trompeten und Pauken durch.
    »Herein!« rief Doktor Thein, als energisch an seine Kanzleitür geklopft worden war.
    Ein Gendarm brachte ein altes Weiblein zu Gericht und meldete, daß die Verhaftung wegen Landstreicherei und Bettels
erfolgt sei. Papiere besitze das Weib nicht, auch will es taub sein.
    Ärgerlich brummte Doktor Thein etwas dergleichen, daß der Gendarm auch etwas Gescheiteres hätte tun
können, als eine ausweislose Landstreicherin aufzugreifen.
    Stramm dienstlich erwiderte der Gendarm: »Verzeihen, Herr Amtsrichter, gemäß meiner Instruktion war ich
zum Aufgriff verpflichtet!«
    »Na ja, es ist schon gut! Wird halt eine große Schererei geben! Führen Sie das Weib zum Amtsdiener,
dessen Frau das Weib einer Leibesvisitation unterziehen soll. Hernach wird die Landstreicherin mir wieder
vorgeführt.«
    »Sehr wohl, Herr Amtsrichter! Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf: Das Kopftüchel der Streunerin scheint
nach Salzburg oder Oberösterreich zu verweisen!«
    Doktor Thein notierte sich diese Mutmaßung und gab das Zeichen zum Abtreten.
    Als nach Verlauf einer halben Stunde der Amtsdiener die Landstreicherin wieder in die Kanzlei führte, mußte
Thein sich geradezu zwingen, um mit den Gedanken bei der nichts weniger denn angenehmen Angelegenheit einer Vernehmung zu
bleiben. Eben hatte er zitiert: »Das Paradies der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, in der Gesundheit des
Leibes und am Herzen des Weibes.« Ein Blick auf die Landstreicherin, die mutmaßlich weiblichen Geschlechtes ist,
genügte, um den Dichter gründlich zu desavouieren, denn am Herzen dieses Weibes kann das Paradies der Erde
sicherlich nicht gelegen sein.
    Nach Entfernung des Amtsdieners begann Doktor Thein mit dem Verhör der Landstreicherin.
    »I hear' (höre) nit gut!«
    Unwillkürlich schrie der Richter bei Wiederholung der Frage, wo das Weib beheimatet sei, aus vollem Halse.
    Die Antwort blieb die gleiche.
    Doktor Thein kam auf den Gedanken, daß vielleicht Simulation von Taubheit vorliege; zur Erprobung nahm er das dicke
Bleistück, welches als Aktenbeschwerer diente, und ließ es hinter dem Rücken des Weibes zu Boden fallen.
    Die Landstreicherin blieb wie angemauert stehen und ignorierte den nicht geringen Lärm, welchen das schwere Blei beim
Aufprallen am Boden verursachte und den ein wirklich Schwerhöriger oder auch ganz Tauber durch die Schalleitung des
Bodens und Körpers hören müßte.
    Also Simulantin! dachte Thein und sprach

Weitere Kostenlose Bücher