Das Schloss Im Moor
übergeben zu haben, den andere Behörden eifrig
suchen. Durch den übergroßen Pflichteifer des Wachtmeisters ist der Amtsrichter unzweifelhaft in eine sehr
unangenehme Lage gebracht. Es ist nicht abzusehen, was daraus werden wird. Sicher ist, so argumentierte Doktor Thein,
daß der Mann gelogen hat; wer lügt, kann stehlen. Ist das Geld gestohlen, so ist der angebliche Hodenberg ein
Verbrecher, und das Amtsgericht hat die heilige Pflicht, festzustellen, woher der Verbrecher stammt, wo er gestohlen hat und
wer sich hinter dem aristokratischen Namen verbirgt. Eine heillose Arbeit und Schererei harrt somit des Amtsrichters dank des
hitzigen Zugreifens eines übereifrigen Gendarmen. Schon wollte Doktor Thein seinem Ärger durch einen Fluch Luft
machen, da klopfte es zaghaft an die Kanzleitür, und auf das barsche »Herein!« trat Olga Tristner in das
Zimmer, ersichtlich verstört und aufgeregt.
»Ei, Fräulein Olga, welch lieber Besuch! Herzlich willkommen im kahlen Gerichtszimmer! Womit kann ich
dienen?« rief Thein und eilte Olga entgegen. »Bitte abzulegen und Platz zu nehmen!« Olga schüttelte
den Kopf und rang nach Atem und Fassung.
»Um's Himmels willen, was ist denn passiert? Weshalb diese Aufregung, gnädiges Fräulein?«
»Herr Doktor!« ächzte Fräulein Tristner.
»Bitte, reden Sie. Kann ich Ihnen irgendwie dienen, behilflich sein, ich stehe zur Verfügung!«
»Danke im voraus! Helfen Sie, Herr Doktor, Baron Hodenberg . . .«
Überrascht blickte Thein auf Olga, blitzschnell fragte er sich, wie das Fräulein wegen der Verhaftung Hodenbergs
in so große Aufregung geraten könne.
»Der Baron ist heute – verhaftet worden!« stöhnte Olga.
»Stimmt! Vor wenigen Augenblicken war der Mann hier.«
»Ist Hodenberg wieder in Freiheit gesetzt?«
»Nein, Fräulein Tristner!«
»Bitte, geben Sie ihn sogleich frei!«
»Bedaure sehr, das ist ganz unmöglich!«
»Was liegt gegen ihn vor? Ich beschwöre Sie, bitte, sagen Sie mir alles. Er ist krank, nervös,
gemütskrank! Es ist undenkbar, daß er ein Verbrechen verübt hat!«
»Es ist mir schmerzlich, Ihnen, liebes Fräulein, nicht dienen zu können. Die ›Affäre
Hodenberg‹ befindet sich im Untersuchungsstadium, das Amtsgeheimnis bindet mir die Zunge. Sollte der Verhaftete aber
wirklich krank sein, wovon ich während des Verhörs jedoch nichts gemerkt habe, so werde ich sogleich den
Gerichtsarzt beauftragen, den Baron zu untersuchen.«
»Verhört! Sie haben ihn verhört? Was ist geschehen? Mir ist ganz wirr im Kopf! Diese Aufregung, diese
Angst . . .«
»Aber, gnädiges Fräulein, die Verhaftung kann doch nicht ein Grund sein, daß Sie in Angst und Sorge
geraten! Hodenberg war meines Wissens einige Zeit Gast im Schloß Ried; diese Tatsache bedingt doch nicht, daß die
Familie Tristner sich aufregt!«
Olga bemühte sich, ihrer wilden Erregung Herr zu werden und kämpfte die Angst einigermaßen nieder.
»Alarmierend ist die Verhaftung immerhin.«
»Gewiß, auch ich war überrascht, als der Wachtmeister mir den Baron vorführte.«
»Weshalb erfolgte die Verhaftung?«
»Wegen Hasardspieles und Ausweisverweigerung. Mehr kann und darf ich nicht sagen.«
»Wird Hodenberg deshalb mit Gefängnis bestraft?«
»Ja, sofern die Untersuchung keine weitere Belastung ergibt.«
»Muß denn eine weitere Untersuchung stattfinden?«
»Selbstverständlich! Wir müssen doch vor allem feststellen, wer der Verhaftete eigentlich ist!«
Taumelnd klammerte sich Olga an die Stuhllehne und rief in bitterster Seelenqual: »Wer der Baron eigentlich ist? Um
Gottes willen, wer soll er denn sein?«
»Das wird er wohl wissen, er sagt es aber nicht, und ich weiß es einstweilen auch nicht, hoffe aber im Laufe
der Zeit das Geheimnis aufdecken zu können.«
»So glauben Herr Doktor, daß Hodenberg sich Namen und Rang nur beigelegt hat? O Gott, meine
gräßliche Ahnung!«
»Wie? Sie haben dergleichen geahnt?«
»Nein, nein! Gott, mir ist so wirr im Kopf, daß ich nicht mehr weiß, was ich denke und spreche!«
stammelte Olga in Verzweiflung.
»Pardon, Fräulein Tristner, auf Grund Ihrer Äußerung muß ich amtlich fragen, wodurch Sie
veranlaßt wurden, an Namenfälschung zu denken.«
»Ich weiß gar nichts, Herr Doktor!«
»Das ist schwer zu glauben! Einmal sagen Sie: ›O Gott, meine gräßliche Ahnung!‹ –
Sodann stehen Sie in auffälliger Erregung vor mir und fordern Hilfe, Freilassung des Verhafteten! – Ich muß
Sie fragen, stehen Sie zu
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