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Das Schloss in Frankreich

Das Schloss in Frankreich

Titel: Das Schloss in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Unschuld, oder aber weil Sie mir beinahe erlaubt hätten, sie Ihnen zu nehmen?«
    »Das ist eine niederträchtige Bemerkung«, fuhr sie ihn an und rang nach Atem. »Dies alles geschah so schnell, dass ich gar nicht zur Besinnung kam. Wäre ich darauf vorbereitet gewesen, hätten Sie sich mir niemals in dieser Weise genähert.«
    »Wirklich nicht?«
    Er richtete sie auf, bis sie auf dem Bett vor ihm kniete und wieder an seiner Brust lag.
    »Jetzt sind Sie vorbereitet. Glauben Sie etwa, dass ich Sie nicht augenblicklich besitzen könnte, und Sie es freiwillig geschehen ließen?«
    Er blickte auf sie nieder, seine Stimme klang anmaßend und erzürnt. Sie konnte nicht antworten, denn sie wusste, dass sie seiner Selbstherrlichkeit und ihrem heftigen Verlangen ausgeliefert war. Die riesigen Augen in ihrem blassen Gesicht glänzten vor Furcht und Arglosigkeit. Ärgerlich schob er sie von sich fort.
    »Verflixt noch mal! Sie sehen mich mit den Augen eines Kindes an, und ihr Körper verhüllt makellos Ihre Unschuld. Eine gefährliche Maskerade.«
    Er ging zur Tür und blickte noch einmal zurück, um die leicht bekleidete Gestalt zu betrachten, die sich in dem riesigen Bett sehr klein ausnahm. »Schlafen Sie gut, meine Schöne«, spottete er. »Sollten Sie wieder einmal die Möbel anrempeln wollen, wäre es angebracht, die Tür zu verschließen. Beim nächsten Mal werde ich Sie nicht so ohne weiteres verlassen.«
    Beim Frühstück erwiderte Christophe freundlich Shirleys kühlen Gruß. Er blickte sie kurz an und zeigte keine Spur von Verstimmung über die vergangene Nacht. Widersinnigerweise war sie über seinen Gleichmut etwas verärgert. Er plauderte mit der Gräfin und wandte sich nur dann an Shirley, wenn es unumgänglich war, und das in einem überaus höflichen Ton.
    »Du hast doch nicht vergessen, dass Genevieve und Yves heute Abend mit uns speisen werden?« wandte sich die Gräfin an Christophe.
    »Aber nein, Großmutter.« Er stellte die Tasse auf den Unterteller zurück. »Es ist mir ein Vergnügen, sie einmal wiederzusehen.«
    »Ich glaube, dass Sie ihre Gesellschaft als sehr angenehm empfinden werden, Shirley.« Die Gräfin richtete die klaren blauen Augen auf ihre Enkelin. »Genevieve ist etwa ebenso alt wie Sie, vielleicht ein Jahr jünger. Sie ist eine liebenswerte, wohlerzogene junge Frau. Und ihre Bruder Yves ist sehr charmant und attraktiv.« Sie lächelte leicht. »In seiner Gesellschaft werden Sie sich bestimmt nicht langweilen. Findest du nicht auch, Christophe?«
    »Ich bin davon überzeugt, dass Shirley sich mit Yves gut unterhalten wird.«
    Shirley sah Christophe kurz an. Sein Tonfall war irgendwie lebhafter als gewöhnlich. Doch er trank ruhig seinen Kaffee, und so glaubte sie, sich geirrt zu haben.
    »Die Dejots sind alte Freunde der Familie.« Die Gräfin lenkte Shirleys Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Ich bin
sicher, dass Sie sich freuen werden, Bekannten Ihres eigenen Alters zu begegnen, nicht wahr? Genevieve kommt häufig zu Besuch ins Schloss. Als Kind trabte sie hinter Christophe her wie ein folgsames Hündchen. Allerdings ist sie inzwischen kein Kind mehr.« Sie blickte den Mann am Kopfende des Eichentisches bedeutungsvoll an. Shirley zwang sich, unbeteiligt auszusehen.
    »Genevieve hat sich von einem linkischen Kind mit Rattenschwänzen zu einer eleganten, wunderhübschen Frau gemausert.« Seine Stimme klang unüberhörbar herzlich.
    Wie gut für sie, dachte Shirley und rang nach einem interessierten Lächeln.
    »Sie wird bestimmt eine vorzügliche Ehefrau«, weissagte die Gräfin.
    »Sie besitzt eine sanfte Schönheit und natürliche Anmut. Wir müssen sie überreden, für Sie Klavier zu spielen, Shirley. Sie ist nämlich eine hochtalentierte Pianistin.«
    Wieder ein tugendhaftes Vorbild, überlegte Shirley und war bitter eifersüchtig auf die Beziehung zwischen Genevieve und Christophe. Dann zwang sie sich zu einigen zuvorkommenden Worten: »Ich freue mich sehr darüber, Ihre Freunde kennen zu lernen, Madame.« Schweigend schwor sie sich, die vollkommene Genevieve mit Nichtachtung zu strafen.
    Der goldene Morgen verstrich friedlich. Stille ruhte auf dem Garten, wo Shirley zeichnete. Sie hatte einige Worte mit dem Gärtner gewechselt, ehe sie sich beide ihrer Arbeit widmeten. Sie beobachtete ihn interessiert und skizzierte ihn, wie er sich über die Büsche beugte, die verwelkten Blüten stutzte und mit seinen farbenfrohen, duftenden Freunden schwatzte, sie gelegentlich ausschimpfte und

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