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Das Schloss in Frankreich

Das Schloss in Frankreich

Titel: Das Schloss in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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auch lobte.
    Sein Gesicht war zeitlos, verwittert und charaktervoll. Erstaunlich blaue Augen hoben sich von der rötlichen Gesichtsfarbe ab. Der breitrandige Hut auf seinem stahlgrauen Haarschopf war schwarz, Samtbänder fielen auf den Rücken. Er trug eine ärmellose Weste und abgetragene Kniehosen. Sie staunte über seine Beweglichkeit in den klobigen Holzschuhen.
    Sie war so tief darin versunken, seine kleine Welt mit dem Bleistift festzuhalten, dass sie die Schritte auf den Steinfliesen hinter sich überhörte. Christophe beobachtete eine Weile, wie sie sich über ihre Arbeit beugte.
    Die graziöse Schwingung ihres Nackens erinnerte ihn an einen stolzen weißen Schwan, der über einen kühlen, klaren See glitt. Erst als sie den Bleistift hinter das Ohr schob und sich abwesend über das Haar fuhr, räusperte er sich.
    »Die Zeichnung von Gaston ist Ihnen fabelhaft gelungen, Shirley.« Amüsiert zog er die Brauen hoch, weil sie aufsprang und die Hand an die Brust presste.
    »Ich wusste nicht, dass Sie hier sind.« Sie verwünschte ihre atemlose Stimme und den jagenden Puls.
    »Sie waren tief in Ihre Arbeit versunken.« Nachlässig setzte er sich neben sie auf die weiße Marmorbank. »Ich wollte Sie nicht stören.«
    Selbst in tausend Kilometern Entfernung würden Sie mich noch stören, ergänzte sie in Gedanken. Höflich erwiderte sie: »Danke. Sie sind sehr rücksichtsvoll.« Abwehrend widmete sie ihre Aufmerksamkeit dem Spaniel zu ihren Füßen. »Oh Korrigan, wie geht’s?« Sie kraulte seine Ohren, und er bedeckte ihre Hand mit liebevollen Küssen.
    »Korrigan ist ganz hingerissen von Ihnen.« Christophe betrachtete ihre schlanken Finger. »Normalerweise verhält er sich zurückhaltender, aber es scheint, dass Sie sein Herz erobert haben.« Korrigan ließ sich zutraulich auf ihren Füßen nieder und leckte ihr die Hand.
    »Ein sehr feuchter Verehrer.« Sie zog die Hand zurück.
    »Ein geringfügiger Preis für so viel Liebe.« Er nahm ein Taschentuch, umfasste ihre Hand und trocknete sie ab. Ein starker Strom durchzuckte ihre Fingerspitzen, den Arm und ließ prickelnd Hitze in ihr aufsteigen.
    »Das ist nicht notwendig. Ich habe hier einen alten Lappen.« Sie wies auf ihren Kasten mit Kreide und Bleistiften und versuchte, die Finger aus seiner Hand zu lösen.
    Seine Augen wurden schmal, sein Griff fester, und sie fühlte sich überrumpelt von diesem kurzen, schweigenden Kampf. Mit einem entrüsteten Seufzer ließ sie zu, dass er ihre Hand festhielt.
    »Setzen Sie sich immer und überall durch?« Ihre Augen verdunkelten sich in unterdrücktem Zorn.
    »Aber natürlich«, erwiderte er mit unerschütterlichem Selbstvertrauen. Er ließ ihre Hand los und betrachtete Shirley abschätzend. »Ich habe den Eindruck, dass Sie gewöhnlich ebenfalls tun, was Sie wollen, Shirley Smith. Wäre es nicht interessant, zu beobachten, wer während Ihres Besuchs den Sieg davonträgt?«
    »Vielleicht sollten wir die Ergebnisse auf einer Tafel festhalten«, schlug sie etwas frostig vor. »Dann gibt es wenigstens keinen Zweifel darüber, wer der Gewinner ist.«
    Er lächelte sie nachdenklich und lässig an. »Darüber besteht überhaupt kein Zweifel.«
    Ehe sie antworten konnte, tauchte die Gräfin auf. Shirley versuchte heiter auszusehen, um die alte Dame von jedem Verdacht abzulenken.
    »Ein herrlicher Morgen, meine Lieben.« Die Gräfin begrüßte sie mit einem mütterlichen Lächeln, das ihre Enkelin erstaunte. »Sie genießen also den schönen Garten. Um diese Tageszeit ist er am friedlichsten.«
    »Er ist bezaubernd, Madame«, stimmte Shirley zu. »Es kommt mir so vor, als gäbe es keine andere Welt mehr außer den Farben und Düften dieses einsamen Fleckchens Erde.«
    »So ist es mir auch oft ergangen. Ich kann die Stunden nicht mehr zählen, die ich jahrelang an dieser Stelle verbracht habe.« Sie ließ sich auf der Bank nieder, gegenüber dem braun gebrannten Mann und der hellhäutigen Frau.
    Sie seufzte: »Was haben Sie gezeichnet?« Shirley reichte ihr den Block. Die Gräfin heftete die Augen auf die Zeichnung und sah sie dann genau an. »Sie haben das Talent Ihres Vaters geerbt.« Bei dieser mutmaßlich missgünstigen Bemerkung verschärfte sich Shirleys Blick, und sie öffnete schon den Mund, um zu antworten. »Ihr Vater war ein sehr begabter Künstler«, setzte die Gräfin fort. »Er muss sehr viel Herzensgüte besessen haben, um Gabrielles Liebe und Ihre Anhänglichkeit zu erringen.«
    »Ja, Madame.« Shirley begriff,

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