Das Schloß
dessen man die Mägde ausquartieren muß, einer dessen Absichten unbekannt sind, einer der unsere liebste kleine Frieda verführt hat und dem man sie leider zur Frau geben muß. Wegen alles dessen mache ich Ihnen ja im Grunde keine Vorwürfe; Sie sind, was Sie sind; ich habe in meinem Leben schon zu viel gesehen, als daß ich nicht auch noch diesen Anblick ertragen sollte. Nun aber stellen Sie sich vor, was Sie eigentlich verlangen. Ein Mann wie Klamm soll mit Ihnen sprechen. Mit Schmerz habe ich gehört, daß Frieda Sie hat durchs Guckloch schauen lassen, schon als sie das tat, war sie von Ihnen verführt. Sagen Sie doch, wie haben Sie überhaupt Klamms Anblick ertragen. Sie müssen nicht antworten, ich weiß es, Sie haben ihn sehr gut ertragen. Sie sind ja gar nicht imstande Klamm wirklich zu sehn, das ist nicht Überhebung meinerseits, denn ich selbst bin es auch nicht imstande. Klamm soll mit Ihnen sprechen, aber er spricht doch nicht einmal mit Leuten aus dem Dorf, noch niemals hat er selbst mit jemandem aus dem Dorf gesprochen. Es war ja die große Auszeichnung Friedas, eine Auszeichnung, die mein Stolz sein wird bis an mein Ende, daß er wenigstens Friedas Namen zu rufen pflegte und daß sie zu ihm sprechen konnte nach Belieben und die Erlaubnis des Guckloches bekam, gesprochen aber hat er auch mit ihr nicht. Und daß er Frieda manchmal rief, muß gar nicht die Bedeutung haben, die man dem gern zusprechen möchte, er rief einfach den Namen Frieda – wer kennt seine Absichten? – daß Frieda natürlich eilends kam war ihre Sache und daß sie ohne Widerspruch zu ihm zugelassen wurde war Klamms Güte, aber daß er sie etwa geradezu gerufen hätte, kann man nicht behaupten. Freilich nun ist auch das was war, für immer dahin. Vielleicht wird Klamm noch den Namen Frieda rufen, das ist möglich, aber zugelassen wird sie zu ihm gewiß nicht mehr, ein Mädchen, das sich mit Ihnen abgegeben hat. Und nur eines, nur eines kann ich nicht verstehn mit meinem armen Kopf, daß ein Mädchen, von dem man sagte es sei Klamms Geliebte – ich halte das übrigens für eine sehr übertriebene Bezeichnung – sich von Ihnen auch nur berühren ließ.«
»Gewiß das ist merkwürdig«, sagte K. und nahm Frieda, die sich, wenn auch mit gesenktem Kopf, gleich fügte, zu sich auf den Schooß, »es beweist aber, glaube ich, daß sich auch sonst nicht alles genau so verhält, wie Sie glauben. So haben Sie z.B. gewiß Recht, wenn Sie sagen, daß ich vor Klamm ein Nichts bin und wenn ich jetzt auch verlange mit Klamm zu sprechen und nicht einmal durch Ihre Erklärungen davon abgebracht bin, so ist damit noch nicht gesagt, daß ich imstande bin, den Anblick Klamms ohne dazwischenstehende Tür auch nur zu ertragen und ob ich nicht schon bei seinem Erscheinen aus dem Zimmer renne. Aber eine solche wenn auch berechtigte Befürchtung, ist für mich noch kein Grund, die Sache nicht doch zu wagen. Gelingt es mir aber ihm standzuhalten, dann ist es gar nicht nötig, daß er mit mir spricht, es genügt mir wenn ich den Eindruck sehe, den meine Worte auf ihn machen und machen sie keinen oder hört er sie gar nicht, habe ich doch den Gewinn frei vor einem Mächtigen gesprochen zu haben. Sie aber Frau Wirtin mit Ihrer großen Lebens- und Menschenkenntnis und Frieda, die noch gestern Klamms Geliebte war – ich sehe keinen Grund von diesem Wort abzugehn – können mir gewiß leicht die Gelegenheit verschaffen mit Klamm zu sprechen, ist es auf keine andere Weise möglich, dann eben im Herrenhof, vielleicht ist er auch heute noch dort.«
»Es ist unmöglich«, sagte die Wirtin, »und ich sehe, daß Ihnen die Fähigkeit fehlt es zu begreifen. Aber sagen Sie doch, worüber wollen Sie denn mit Klamm sprechen?«
»Über Frieda natürlich«, sagte K.
»Über Frieda?« fragte die Wirtin verständnislos und wandte sich an Frieda. »Hörst Du Frieda, über Dich will er, er, mit Klamm, mit Klamm sprechen.«
»Ach«, sagte K., »Sie sind, Frau Wirtin, eine so kluge achtungeinflößende Frau und doch erschreckt Sie jede Kleinigkeit. Nun also, ich will über Frieda mit ihm sprechen, das ist doch nicht so sehr ungeheuerlich, als vielmehr selbstverständlich. Denn Sie irren gewiß auch, wenn Sie glauben, daß Frieda von dem Augenblick an, wo ich auftrat, für Klamm bedeutungslos geworden ist. Sie unterschätzen ihn, wenn Sie das glauben. Ich fühle gut, daß es anmaßend von mir ist, Sie in dieser Hinsicht belehren zu wollen, aber ich muß es doch tun.
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