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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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einen Brief aufgeben.
    »Ich nehme eine Orangeade, danke.« Er nahm seine Brille ab und rieb die Gläser an seinem weißen Ärmel sauber.
    »Für mich dasselbe«, sagte Cora zu der Frau. Sie war sich nicht sicher, wie langsam sie sprechen sollte, ob die Frau wirklich Englisch verstand. Sie hob zwei Finger hoch. »Zwei, bitte. Zwei.«
    Die Frau stellte die gekühlten Flaschen auf den Ladentisch. Cora legte einen Vierteldollar auf den Tisch, und als sie aufblickte, merkte sie, dass der Deutsche sie beobachtete. Er wandte den Blick ab.
    Die Frau schob ihr das Wechselgeld mit kleinen, runzeligen, tiefrot gefleckten Händen zu. »Scusi«, sagte sie freundlich und wackelte mit den Fingern. »Solo le uva.«
    Cora lächelte, als hätte sie verstanden, bedankte sich und folgte dem Deutschen, der die beiden Flaschen genommen hatte, zu einem von drei leeren Tischen im hinteren Teil des Ladens. Überall summten Fliegen herum, aber er schaltete einen Ventilator ein und richtete das stetige Kreisen auf einen der Tische. Er zog einen Stuhl für sie zurück, bevor er sich selbst setzte.
    »Danke«, murmelte sie.
    »Ich danke Ihnen.« Er hob seine Flasche, als wollte er anstoßen.
    »Wissen Sie, was sie gesagt hat?«, flüsterte Cora.
    »Was?« Er beugte sich vor, weil er sie wegen des Ventilators nicht verstanden hatte.
    Cora warf einen kurzen Blick auf die Frau hinter dem Ladentisch. »Was hat sie über ihre Hände gesagt? Wegen der Flecken?« Cora hatte Angst, es könnte ein Ausschlag sein. Ihr Getränk stand immer noch auf dem Tisch. Sie würde es nicht anrühren, ehe sie Bescheid wusste.
    »Ich verstehe kein Italienisch.« Er nahm einen Schluck von seiner Limo. »Aber ich glaube, sie hat Wein gemacht.«
    Cora starrte ihn an. In einem seiner Augen hatte er einen goldenen Strich, vom Weiß der Iris bis zur Pupille, wie ein dünner Streifen Sonnenlicht. »Im Ernst?«
    Er nickte.
    Sie sah die Frau an, die immer noch Wärmflaschen aufhängte. Sie war mindestens sechzig. Um ihren Hals hing ein goldenes Kreuz.
    »Das ist ja furchtbar!«, sagte Cora. »Sie könnte ins Gefängnis kommen!«
    »Das wäre wirklich furchtbar. Ja.«
    »Ich meine, es ist furchtbar, dass sie so etwas macht«, berichtigte Cora. »Soll das heißen, dass sie Wein verkauft? Wie ein Schwarzhändler?«
    Er lächelte. »Es ist wohl eher für ihre Familie. Italiener trinken Wein wie Milch.«
    Wieder sah sie zu der Frau. »Und wenn nun jemand von der Prohibitionsbehörde kommt und ihre Hände sieht?«
    Er nahm noch einen Schluck. »Tja, dann würde sie auf frischer Tat ertappt werden. Und bis in die Fingerspitzen schamrot werden.«
    Sie unterdrückte ein Lächeln. »Das ist nicht komisch. Ich bin wirklich entsetzt.«
    »Dann schreiben Sie Ihrem Senator.« Er hob seine Flasche. »Fordern Sie ihn auf, den Zusatzartikel aufzuheben.«
    Sie verdrehte die Augen. »Ach so, auf der Seite stehen Sie also.«
    »Sie nicht?«
    »So ist es.« Sie setzte sich auf und zog ihre Handschuhe aus. Sie hatte Durst, und ihre Glasflasche sah verlockend kalt und erfrischend aus. Ein Hauch von Weintrauben würde ihr nicht schaden.
    Er betrachtete sie aus schmalen Augen. »Sie würden sie ins Gefängnis bringen? Diese Frau?«
    Die Orangeade war süß und prickelnd. Sie behielt ein wenig von der Flüssigkeit im Mund, bevor sie sie hinunterschluckte. »Wenn sie tatsächlich Gift verkauft, das Familien und Leben zerstört, dann schon. Ja, das würde ich.«
    »Hm.«
    Er schien ihr nicht ganz zu glauben. Wenn schon. Sie wusste, wovon sie sprach. Und sie hatte schon schlichtere Gemüter als ihn zum Umdenken gebracht. Sie nahm noch einen Schluck und stellte ihre Flasche auf den Tisch.
    »Sagen Sie mir, dass es kein besseres Land ist, seit wir dem Alkohol abgeschworen haben.« Sie erhob ihre Stimme ein wenig. Es würde der Italienerin guttun, ihr zuzuhören. »Wussten Sie, dass genau hier in New York in Krankenhäusern ganze Abteilungen geschlossen werden mussten, Abteilungen, die für Menschen vorgesehen waren, die sich vergiftet haben? Ich glaube, das nennt man Fortschritt.«
    »Dafür werden mehr Leute auf der Straße erschossen.«
    Sie zuckte die Achseln. »Kriminelle vielleicht.«
    »Nein. Nicht immer. Und ich habe den Eindruck, dass jetzt mehr Leute an Gin sterben, der in der Badewanne hergestellt wird.« Er hielt die Flasche an seine Brust, an den ölverschmierten Latz. »Früher habe ich das beste Bier im Staat ausgeschenkt. Es sah aus wie flüssiges Gold. Es war rein und gut und gesund. Niemand

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