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Das Schneemädchen (German Edition)

Das Schneemädchen (German Edition)

Titel: Das Schneemädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eowyn Ivey
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arbeiteten Jack und der Junge an dem Elch. Es war anstrengend. Jacks Hände fühlten sich kalt und taub an, und er schnitt sich mehrmals mit dem Messer. Rücken und Knie taten ihm weh. Die Sonne sank durch die Bäume, die Luft wurde kühler, das tote Tier wurde steif, doch sie ließen nicht nach. Ab und zu erteilte Garrett einen Rat, wo ein Schnitt anzusetzen oder ein Gelenk zu durchtrennen wäre. Er hielt die Beine fest oder zog das Fell zurück, um Jack die Arbeit zu erleichtern. Sie scherzten ein bisschen und redeten ein bisschen, aber meistens arbeiteten sie nur harmonisch nebeneinander.
    Als sie Beine und Rippen abgetrennt sowie Filetstück, Rücken- und Halsfleisch ausgelöst hatten, holte Garrett eine Handsäge aus seiner Satteltasche, und sie sägten das Geweih vom Schädel.
    «Das müssen Sie heute Abend mitnehmen», sagte Garrett, «damit wir es allen zeigen können. Die werden es nicht glauben, wenn wir nur davon erzählen.»
    Jack hätte das Geweih lieber dagelassen und mehr Fleisch nach Hause geschleppt, befand aber, es sei sicher genug, die Stücke in den Bäumen hängen zu lassen, bis er am Morgen mit Pferd und Wagen wiederkommen konnte. Er wollte den Jungen nicht enttäuschen, nachdem er ihm so bereitwillig geholfen hatte, und so schnallten sie das Geweih, die genießbaren Innereien und etliche von den besten Fleischstücken auf Garretts Sattel.
    «Ein braves Pferd hast du da», sagte Jack, während sie die Ladung sicherten. «Sträubt sich nicht, wenn ihm Fleisch aufgeladen wird.»
    «Ich hab es einem Minenarbeiter abgekauft, der es als Packpferd benutzt hat. Ich will es zum Trapperpferd ausbilden.»
    Blutig und erschöpft machten sie sich auf den Weg durch den Wald; Garrett führte das Pferd an einem Strick. Jack war nicht klar gewesen, wie nah sein eigenes Feld war, und von dort aus folgten sie dem Fahrweg. Es wurde schon dunkel, als sie zum Hof kamen.
    «Ich bin dir unendlich dankbar für deine Hilfe», sagte Jack. «Sonst wäre ich noch da draußen und würde allein draufloshacken.»
    «Schon möglich», sagte Garrett. «Warten Sie nur, bis Ma und Pa das sehen.»
    Garrett eilte voraus, Jack humpelte hinterdrein.
    «Wie es aussieht, waren deine Leute schneller», rief Jack, als er den Schlitten im Hof erblickte. Just in diesem Augenblick kam George mit seinen beiden älteren Söhnen aus dem Stall.
    «Nicht zu fassen!», brüllte Garrett. «Jack hat den größten verfluchten Elch geschossen, den ihr je gesehen habt!»

Kapitel 8
    Als Mabel sich am Morgen auf den Besuch vorbereitete, rief sie sich in Erinnerung, wie es an Erntedank bei den Bensons zugegangen war. Sie wollte sich nicht über Flecken auf der Tischdecke oder auf den ungehobelten Dielen aufregen, die sich nie sauber schrubben ließen. Es sollte eine gute Mahlzeit geben, aber nicht so gut, dass es aussah, als wollte sie die Bensons in den Schatten stellen. Sie besaß keine Männer-Arbeitshosen und wollte auch keine. Ihr langer Rock und die elegante Bluse mochten etwas übertrieben aussehen, aber sie hatte nichts anderes.
    Am späten Vormittag war das Haus geputzt und der Tisch gedeckt. Ungefähr eine Stunde lang war sie mit ihrer Frisur beschäftigt und damit, die Gedecke anders anzuordnen. Sie war froh, als die Bensons bei Einbruch der Dämmerung auf einem Schlitten eintrafen. George und die zwei älteren Söhne brachten das Pferd in den Stall, während Esther ein paar Sachen vom Schlitten lud und an die Tür kam. Sie klopfte nicht an, es gab keine Gelegenheit, sie hereinzubitten; sie schob sich einfach an Mabel vorbei.
    «Gottlob, da sind wir endlich.» Esther warf einen staubigen Getreidesack auf den Tisch und stieß fast einen Teller zu Boden. «Ich dachte mir, ihr nehmt vielleicht gern ein paar Zwiebeln. Wir haben mehr geerntet, als wir verbrauchen können.»
    Sie knöpfte ihren Mantel auf und holte aus den überdimensionalen Taschen Einmachgläser hervor. «Das hier ist Rhabarbermarmelade. Sehr lecker auf Sauerteigpfannkuchen. Hat es mit dem Sauerteig geklappt? Du musst ihn ein bisschen hätscheln. Er darf nicht zu warm oder zu kalt werden. Und das hier ist Blaubeere-Himbeere, glaub ich. Sind vielleicht auch ein paar Johannisbeeren drin. Schwer zu sagen. Schmeckt jedenfalls gut. Oh, und das hier sind scharf eingelegte Erbsen. Die isst George besonders gern. Verrat ihm nicht, dass ich dir welche abgezweigt hab.»
    Sie zog ihren Mantel aus und warf ihn über eine Stuhllehne. «Ich hatte schon Angst, sie würden auf dem Weg hierher

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