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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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keinem Schmerz besudelt ist. Und mir ist, als würde ich Diegos Lächeln
sehen. Ich presse mich an den einzigen Spalt, durch den man hinausschauen kann.
Die Maschine bewegt sich. Ich sehe den Jungen aus Genua zum letzten Mal.
    Sein Körper dünn,
schwarz und fern vor der trüben Lichtblase dieses Flughafens ohne Glasscheiben,
ohne Personal, ohne Flüge. Da steht er, reglos neben dem Milizionär. Mit seinem
jungen, greisenhaft ausgezehrten Gesicht schaut er zu dieser C130, die durch
das Schneetreiben rollt. Er schaut zu uns, zu dem, was er gerade verliert.
    Er ist am Boden
geblieben, diesem dreckigen Boden. Und ich werde nie erfahren, ob sein Pass
tatsächlich in den Schnee gefallen ist.
    » Ich bin ein Glückspilz. «
    » Ach ja? «
    » Ein großer Glückspilz. «
    Das Flugzeug sticht
geradewegs in den Himmel. Man hat mir einen Gurt um den Körper gelegt und weist
mich an, das Baby gut festzuhalten. So heben wir aus dieser Belagerung ab, ohne
weiche Schleifen geradewegs in den Himmel, weil uns immer noch eine Rakete
erwischen kann. Die Motoren sind Feuermünder, das Flugzeug ist in der
Senkrechten, Säcke rollen nach hinten, zusammen mit dem Peitschenhieb der
Köpfe. Wir spüren den Aufstieg, diese gewaltige Anstrengung, die Schwerkraft zu
durchschneiden. Es ist ein hartes Abheben, ein kriegstypisches, das Trommelfell
schmerzt, brennt. Ich hänge in meinem Sitz und presse das Bündel an mich.
    Dann der
Waffenfrieden. Wir haben eine Höhe von neuntausend Metern erreicht, jetzt
könnte auch die raffinierteste Rakete das Transportflugzeug über dem Igman
nicht mehr treffen. Der Kopf kehrt an seinen Platz zurück, die verzogenen
Knochen tun noch weh. Die Belastung der Motoren lässt nach, und da höre ich das
Stimmchen: Das Bündel schreit. Es ist also am Leben, ist weder vor Kälte noch
vor Angst gestorben. Ich halte es auf dem Arm wie ein Stangenbrot. Schiebe die
Decke beiseite, sein Schnäuzchen ist rot, blaurot vor Leben, und es reißt
seinen Mund immer wieder zu diesem heftigen, zahnlosen Geschrei auf. Was bist du , frage ich es, ein Schaf oder ein Wolf?
    Das Baby öffnet den
Mund mit dem nackten Zahnfleisch, er sieht aus wie der eines Greises oder eines
Vogels.
    Bis zum Start, so
lange wie es unten im Schoß des Krieges war, war es ruhig, reglos, als wäre es
gar nicht geboren, ganz als hätte es gespürt, dass schon der kleinste
Schluchzer es das Leben kosten könnte. Jetzt kann es endlich zur Welt kommen,
in neuntausend Metern Höhe, am Himmel, wo die Raketen uns nicht erreichen können.
Jetzt schreit es, macht sich bemerkbar, fordert Aufmerksamkeit.
    In sechzehn Jahren
wird Pietro einem Freund auf dessen Frage, warum er denn in Sarajevo geboren
sei, antworten Das war
Zufall, wie bei denen, die im Flugzeug zur Welt kommen .
    Und ich werde atemlos
innehalten. Werde mich an einem Schrank oder an der Wand abstützen. Und noch
einmal werde ich sein Schreien hören, das eines Kindes, das in dieser C130 in
neuntausend Metern Höhe geboren wird.
    Ich schaue durch
einen Spalt hinaus, es ist nichts zu sehen, nur Schwarz und mittendrin der
weiße Schein des Mondes. Wie auf einem von Licht verschlungenen Foto. Eine
Angewohnheit Diegos fällt mir wieder ein, er nahm manchmal meinen kleinen
Finger in den Mund und behielt ihn, um daran zu saugen, bis er einschlief, so
war ich es, die zwischen seinen Lippen blieb. Ich habe ungewaschene, schmutzige
Hände. Ich lecke meinen kleinen Finger ab, sauge daran, um ihn sauber zu
bekommen, und stecke ihn in diesen blauroten Mund. Das Baby schnappt danach wie
ein hungriger Vogel. Es verhält sich genauso wie sein Vater, es nuckelt ein
wenig und schläft dann ein. Da küsse ich es zum ersten Mal. Ich drücke meine
Lippen auf die winzige Stirn.
    Bei Nacht überquerten
wir den Samtteppich der Adria, dann landeten wir. Ich stieg mit am Kopf
klebenden Haaren aus dem Flugzeug, mein Anorak war zerrissen und fleckig, mein
Rucksack schlaff, das Baby eingewickelt in der Decke. Ich suchte einen Waschraum.
Sah mich im Spiegel an. Eine große, heile, schreckliche Wand. Was mich da
ansah, war ein Tier mit knochigem Gesicht und geweiteten, geistesabwesenden
Augen. Ich stank. Nach Sarajevo, nach Krieg, nach eingesperrtem Leben. Ich
hatte diesen Gestank nicht bemerkt, jetzt in diesem frischen Klo spürte ich
ihn. Ich wusste nicht, wie ich es anfangen sollte, es gab zwei Waschbecken, und
ich legte das Baby in eines davon. Ich ließ es in dieser Keramikwiege, wusch
meine Hände an dem anderen Becken und

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