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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Schaufenster eines CD- und DVD-Ladens taumelte. Aus Lautsprechern tönte eine süßlich-romantische Musik. Er stand da wie gelähmt, die Arme verschränkt.
    Mühsam setzte er sich wieder in Bewegung, verfolgt von der spitzen Stimme der Sängerin. Seine Augen dienten ihm einzig dazu, Hindernisse zu vermeiden, boten ihm aber keinerlei Orientierungshilfe zwischen den Gesichtern und Gegenständen auf seinem Weg. Wie ein Schlafwandler bewegte er sich vorwärts, ohne dass ihm irgendein Anblick eine Regung oder Reaktion entlockte.
    Dann merkte er, dass er stehen geblieben war. Im Schaufenster einer Buchhandlung vor ihm standen vier Exemplare desselben Titels stolz auf ihrem Podest. In roten Buchstaben auf schwarzem Grund verkündete der Umschlag: SCHWARZES BLUT . In einer anderen Raumzeit wäre Mark überglücklich gewesen – oder ergriffen.
    Jetzt war er weder glücklich noch ergriffen, sondern voller Todesangst.
    War Jacques Reverdi, nachdem er Alains Wohnung verlassen hatte, durch diese Einkaufsstraße gekommen? Hatte er das Buch gesehen? Wie lange hatte es gedauert, bis ihm ein Licht aufging? Marks Vornamen hatte der Vietnamese ganz bestimmt verraten – und Reverdi hatte nur zwei und zwei zusammenzählen müssen. Jetzt kannte er also seinen vollständigen Namen.
    Mark wandte sich ab und wollte davonstürzen, doch keine zwei Schritte weiter traf ihn ein neuer Schock wie ein Fausthieb vor die Brust: Aus dem Schaufenster einer Parfümerie blickte ihm Khadidscha entgegen.
    Benommen trat er näher. Es war ein kartoniertes Plakat auf einem Ständer. Nachdem Mark nie einen Fuß in eine Parfümerie setzte, hatte er nicht wissen können, dass die Werbekampagne für Élégie nie eingestellt worden war, sondern an den Verkaufsstellen ganz selbstverständlich weiterging.
    War Reverdi auch Elisabeths Gesicht schon begegnet?
    Eingeklemmt zwischen dem Cover seines Buchs und der Parfumwerbung mit Khadidschas Gesicht kam sich Mark vor wie ein Trapper, der auf ein selbst ausgelegtes Tellereisen getreten ist. Die Bügel waren um seinen Knöchel zugeschnappt, und an ein Entkommen war nicht zu denken.
    Jäh fuhr er herum – er meinte als Spiegelbild im Schaufenster die Silhouette eines Mannes mit rasiertem Schädel gesehen zu haben. Eines Mannes, der Reverdi hätte sein können. Aber da war niemand. Jedenfalls kein Europäer.
    In dem Moment fiel ihm siedend heiß ein, was er zu tun hatte. Seine Lippen murmelten es unwillkürlich: »Khadidscha.«
KAPITEL 78
    Auf dem Weg in die Rue Jacob rief Mark immer wieder bei Vincent an, aber der meldete sich nicht. Es lief auch kein Anrufbeantworter. Das bedeutete nicht, dass der Fotograf außer Haus war, im Gegenteil: Wenn er arbeitete, schaltete er meist sein Mobiltelefon aus und zog auch das Festnetzkabel aus der Wand. Mark trieb den Taxifahrer zur Eile an, erntete aber nur ein resigniertes Seufzen und eine Bemerkung über den »Scheißverkehr in Paris, der immer schlimmer wird«.
    Mark versank wieder ins Grübeln – das auf einen einzigen Gedanken hinauslief: Er musste Khadidscha retten. Er musste sie verstecken, sie beschützen – und ihr irgendwie erklären, was los war. Unter den vielen Anlässen zur Panik war der schlimmste die unabweisliche Erkenntnis, dass er ihr eine Erklärung schuldete.
    Wie, um alles in der Welt, sollte er ihr die ganze Geschichte beichten?
Das Taxi kam keinen Meter voran: Auf dem Boulevard SaintMichel war der Verkehr zum Erliegen gekommen. Überzeugt, dass sein Freund wusste, wo Khadidscha sich aufhielt, versuchte Mark es noch einmal bei Vincent. Vergeblich. Er stimmte sich darauf ein, dass er auch ihn warnen musste. Im Geist folgte Mark dem Weg des Mörders: Aus den Plakaten war ohne weiteres ersichtlich, welchen Parfumhersteller, welche Werbeagentur er kontaktieren musste – nach ein paar Telefonaten wäre er bei Vincent und sogar bei Khadidscha angelangt.
Das Taxi steckte nach wie vor fest. Mark sagte, er werde zu Fuß weitergehen, und zahlte den Fahrer, der unwirsch irgendetwas von Solidarität brummte. Er hastete den Boulevard entlang, bog dann rechts in die Rue de Médicis ab und folgte dem Bogen der Jardins du Luxembourg. An der Ecke der Rue de Tournon fiel ihm Renata Santi ein: Auch sie war in Gefahr. Er verlangsamte seinen Schritt und suchte ihre Nummer. Sie wenigstens meldete sich.
»Oh, Mark, wo stecken Sie denn? Seit drei Tagen versuche ich …«
»Ich hab das Buch in den Auslagen gesehen.«
»Und, zufrieden?«
Ihre kehlige Stimme gab ihr immer etwas

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