Das Schweigen der Laemmer
paar von ihnen hätten in zweitrangigen Filmen erscheinen können. Munter und springlebendig kletterten sie aus dem Pool heraus und rannten, viel schneller als die Musik, zur Leiter einer Wasserrutsche, kletterten hinauf- und da kamen sie auch schon herunter. Huiiii! Wo-gende Brüste, als sie lachend, die Beine gerade ausgestreckt, die Rutsche hinuntertauchten, Platsch!
Hier kam Mom. Hier kam sie, kletterte hinter dem Mädchen mit dem lockigen Haar aus dem Pool. Ihr Gesicht war zum Teil von einem hochkriechenden Werbespot von Cinderella, einer Sexbou-tique, verdeckt, aber hier sah man sie weggehen, und da stieg sie die Leiter hoch, ganz glänzend und naß, wunderbar drall und geschmeidig, mit einer kleinen Kaiserschnittnarbe, und Huiiii! die Rutsche hinunter. So schön, und auch wenn er ihr Gesicht nicht sehen konnte, wußte Mr. Gumb in seinem Herzen, daß es Mom war, nach dem letzten Mal in seinem Leben gefilmt, wo er sie je richtig zu Gesicht bekommen hatte. Ausgenommen in seinen Gedanken natürlich.
Die Szene schwenkte zu einem gefilmten Werbespot für ein Hilfsmittel für den ehelichen Verkehr über und endete abrupt.
Der Pudel kniff zwei Sekunden, bevor Mr. Gumb ihn fest drückte, die Augen zu.
»Oh, Precious. Komm her zu Mommy. Mommy wird so schön sein.«
Viel zu tun, viel zu tun, viel zu tun, um für morgen bereit zu sein.
Von der Küche aus konnte er es nie hören, selbst dann nicht, wenn es aus Leibeskräften schrie, Gott sei Dank, aber er konnte es auf der Treppe hören, als er in den Keller hinunterging. Er hatte gehofft, es würde ruhig sein und schlafen. Der Pudel, der unter seinem Arm hing, knurrte zu den Geräuschen aus der Grube zurück.
»Du bist besser erzogen worden als das«, sagte er in das Fell am Hinterkopf des Pudels.
Zum Verlies gelangte man durch eine Tür links am Fuß der Treppe. Er hatte weder einen Blick dafür übrig noch hörte er auf die Worte aus der Grube - was ihn betraf, hatten sie nicht die ge-ringste Ähnlichkeit mit Englisch.
Mr. Gumb ging nach rechts in den Arbeitsraum, setzte den Pudel ab und schaltete das Licht an. Einige Motten flatterten und lie -
ßen sich für sie ungefährlich auf dem die Deckenlampen bedek-kenden Drahtgeflecht nieder.
Im Arbeitsraum war Mr. Gumb akribisch. Er mischte seine frischen Lösungen stets in rostfreiem Stahl, nie in Aluminium.
Er hatte gelernt, alles weit im voraus zu machen. Während er arbeitete, gemahnte er sich:
Du mußt methodisch sein, du mußt genau sein, du mußt zügig arbeiten, da die Probleme knifflig sind.
Die menschliche Haut ist schwer - sechzehn bis achtzehn Prozent des Körpergewichts - und glitschig. Eine ganze Haut ist mühsam zu handhaben, und man kann sie in noch nassem Zustand leicht fallen lassen. Auch Zeit ist wichtig; Haut beginnt unmittelbar, nachdem man sie eingeheimst hat, zu schrumpfen, am merklichsten die von jungen Erwachsenen, deren Haut von vorn-herein am festesten ist.
Hinzu kommt die Tatsache, daß die Haut nicht vollkommen ela -
stisch ist, selbst nicht bei den Jungen. Wenn man sie streckt, erlangt sie nie ihre ursprünglichen Ausmaße wieder. Näht man et- was vollkommen glatt und zieht es dann über eine Schneiderpuppe, so bauscht und kräuselt es sich und bildet Falten. An der Maschine zu sitzen und sich die Augen ausweinen, beseitigt nicht eine einzige Falte. Dann gibt es da die Brustansatzlinien, und man sollte besser wissen, wo sie sind. Haut streckt sich nicht gleichmä-
ßig in alle Richtungen, bevor die Collagenbündel sich verformen und die Fasern reißen; zieht man in der falschen Richtung, so er-hält man einen Dehnstreifen.
Es ist einfach unmöglich, mit frischem Material zu arbeiten.
Sehr viel Experimentieren und sehr viel Kummer wurden darauf verwendet, ehe Mr. Gumb es richtig hinbekam.
Am Ende stellte er fest, daß die alten Methoden die besten waren. Seine Verfahren sahen so aus: Zuerst weichte er seine Objekte in den Aquarien ein, und zwar in von den Indianern entwik-kelten Pflanzenextrakten - rein natürlichen Substanzen, die überhaupt keine Mineralsalze enthalten. Dann wendete er die Methode an, die das unvergleichliche butterweiche Wildleder der Neuen Welt erzeugte - klassisches Gehirngerben. Die Indianer waren der Überzeugung, daß jedes Tier gerade soviel Gehirnsub-stanz besitzt, um sein eigenes Fell zu gerben. Mr. Gumb wußte, daß dies nicht stimmte, und hatte vor langer Zeit aufgegeben, es auch nur zu versuchen, selbst mit dem Primaten mit dem größten Gehirn.
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