Das Schweigen der Laemmer
Er hatte nun eine Tiefkühltruhe voller Rinderhirne, daher gingen sie ihm nie aus.
Mit den Problemen bei der Bearbeitung konnte er fertig werden; die Praxis hatte ihn nahezu perfekt gemacht.
Es blieben schwierige strukturelle Probleme, doch er war besonders gut qualifiziert, auch sie zu lösen.
Der Arbeitsraum ging auf einen Kellergang, der zu einem nicht mehr benutzten Badezimmer führte, wo Mr. Gumb seinen Fla -
schenzug und seinen Chronometer aufbewahrte, und weiter zum Studio und dem weiten schwarzen Labyrinth dahinter.
Er öffnete seine Studiotür zu glänzendem Licht - an Deckenbalken waren Flutlichter und Glühröhren angebracht, farblich dem Tageslicht angepaßt. Schaufensterpuppen posierten auf einem er-höhten Boden aus gebeizter Eiche. Alle waren teilweise bekleidet, einige in Leder und andere in Musselinmustermodellen für Leder-gewänder. Acht Puppen waren in den beiden Spiegelwänden - natürlich gutes Plattenglas, keine Kacheln - verdoppelt. Auf einem Schminktisch standen Kosmetika, mehrere Perückenständer und Perücken. Dies war das hellste der Studios, ganz weiß und helle Eiche.
Die Schaufensterpuppen trugen kommerzielle Stücke im Werden, größtenteils aufsehenerregende Armani-Kopien aus feinem schwarzen Cabrettaleder, lauter Rollfalten und spitz zulaufende Schultern und Brustharnische.
Die dritte Wand wurde von einem großen Arbeitstisch ausgefüllt, zwei Handelsnähmaschinen, zwei Schneiderpuppen und einer aus Jame Gumbs Torso gegossenen Schneiderform.
An der vierten Wand und diesen hellen Raum beherrschend stand ein großer schwarzer Schrank aus Chinalack, der fast bis an die zwei Meter vierzig hohe Decke reichte. Er war alt, und die Muster darauf waren verblichen; einige wenige goldene Schuppen konnte man noch da erkennen, wo ein Drache war, sein weißes Auge noch klar und starrend, und hier war die rote Zunge eines anderen Drachens, dessen Körper verblaßt war. Der Lack unter ihnen bildete zwar Risse, war aber unbeschädigt.
Der Schrank, ungeheuer groß und tief, hatte nichts mit kommerzieller Arbeit zu tun. Auf Formen und Bügeln enthielt er die
›Besonderen Dinge‹, und seine Türen waren abgeschlossen.
Der kleine Hund schlabberte aus seiner Wasserschüssel in der Ecke und legte sich zwischen die Füße einer Schaufensterpuppe, den Blick auf Mr. Gumb gerichtet.
Er hatte gerade an einer Lederjacke gearbeitet. Er mußte sie fer-tigstellen - er hatte vorgehabt, alles zu erledigen, doch nun war er in einem schöpferischen Fieber, und sein eigenes Musselinprobe-modell stellte ihn noch nicht zufrieden.
Mr. Gumb hatte im Schneidern weit über das hinaus Fortschritte gemacht, was er bei seinem Aufenthalt in der Jugendstrafanstalt in Kalifornien gelernt hatte, doch dies war eine echte Her-ausforderung. Selbst die Arbeit mit zartem Cabrettaleder bereitete einen nicht auf richtig feine Arbeit vor.
Hier hatte er zwei Musselinmodelle zur Anprobe, wie weiße Westen, eine genau in seiner Größe und eine, die er nach Maßen genäht hatte, die er genommen hatte, während Catherine Baker Martin noch bewußtlos war. Als er die kleinere Weste über seine Schneiderform hängte, waren die Probleme offensichtlich. Sie war ein großes Mädchen und wunderbar proportioniert, doch sie war nicht so groß wie Mr. Gumb und über dem Rücken nicht an-nähernd so breit.
Sein Ideal war ein nahtloses Kleidungsstück. Dies war nicht möglich. Er war jedoch entschlossen, die Vorderseite des Oberteils vollkommen nahtlos und ohne Makel zu gestalten. Dies bedeutete, daß alle Figurkorrektionen am Rücken gemacht werden mußten. Sehr schwierig. Er hatte bereits ein Musselinprobemo-dell ad acta gelegt und neu angefangen. Bei vernünftigem Strek-ken konnte er mit zwei Unterarmabnähern auskommen - keine französischen Abnäher, sondern waagrechte Eckeinsatzabnäher mit den Spitzen nach unten. Außerdem zwei Taillenabnäher am Rücken, direkt an der Innenseite seiner Nieren. Er war daran ge-wöhnt, mit einer nur ganz knappen Saumzugabe zu arbeiten.
Seine Überlegungen gingen über die visuellen Aspekte hinaus zum Tastbaren; es war nicht undenkbar, daß eine attraktive Person vielleicht umarmt wurde.
Mr. Gumb bestäubte sich die Hände leicht mit Talkum und umarmte die Schneiderform seines Körpers in einer natürlichen, be-quemen Umarmung.
»Gib mir einen Kuß«, sagte er schelmisch zu der leeren Luft, wo der Kopf sein sollte. »Nicht du, Dummerchen«, sagte er zu der kleinen Hündin, als sie die Ohren
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