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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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brauchen«, sagte Mapp. »Soll mich der Teufel holen, wenn ich nicht selbst etwas Erleichterung gebrauchen könnte. Raffinierte Benebelung und ober-flächlicher Scheiß, herrlich! Er hat ihnen nichts gesagt, aber wahrscheinlich hat er auch Bill nicht sehr in Aufruhr versetzt.«
    »Ich kann eine Zeitlang aufhören, über das Mädchen in West Virginia nachzudenken«, sagte Starling, »sie verschwindet für, sagen wir, jeweils eine halbe Stunde, und dann sticht es mich in der Kehle. Glitzernagellack auf ihren Nägeln - ich will nicht ins Detail gehen.«
    Mapp kramte unter ihren vielen Leidenschaften und heiterte Starlings düstere Stimmung beim Abendessen dadurch auf, daß sie Schrägreime in den Werken von Stevie Wonder und Emily Dik-kinson verglich; andere Zuhörer waren gleichermaßen fasziniert.
    Auf dem Weg zurück in ihr Zimmer holte Starling hastig eine Nachricht aus ihrem Fach und las die s: Bitte Albert Roden anrufen, dazu eine Telefonnummer.
    »Das beweist nur meine Theorie«, sagte sie zu Mapp, als sie mit ihren Büchern auf ihre Betten plumpsten.
    »Und die wäre?«
    »Du lernst zwei Typen kennen, okay? Der Falsche wird dich die ganze gottverdammte Zeit anrufen.«
    »Was ich immer sage.«
    Das Telefon klingelte.
    Mapp berührte mit dem Bleistift ihre Nasenspitze. »Wenn das Hot Bobby Lowrance ist, würdest du ihm bitte sagen, ich sei in der Bücherei?« sagte Mapp. »Sag ihm, ich würde ihn morgen anrufen.«
    Es war Crawford, der von einem Flugzeug aus anrief; seine Stimme kam kratzend über die Leitung. »Starling, packen Sie für zwei Nächte und treffen Sie mich in einer Stunde.«
    Sie dachte, er sei weg, in der Leitung war nur ein hohles Summen, dann kam seine Stimme abrupt zurück »- das Köfferchen brauchen Sie nicht, nur Kleidung.«
    »Wo treffe ich Sie?«
    »Im Smithsonian.« Er begann mit jemand anderem zu reden, bevor er auflegte.
    »Jack Crawford«, sagte Starling und warf ihre Tasche mit einem Ruck aufs Bett.
    Mapp tauchte über dem Rand ihres Federal Code of Criminal Pro-cedure auf. Sie sah Starling beim Packen zu; ein Lid hing schlaff über einem ihrer großen dunklen Augen herab.
    »Ich möchte dich geistig nicht belasten«, sagte sie.
    »Doch«, entgegnete Starling. Sie wußte, was gleich kam.
    Mapp hatte ihr Jurastudium an der University of Maryland mit Auszeichnung beendet, obwohl sie nachts gejobbt hatte. Sie hatte einen guten akademischen Ruf an der Akademie und war die Zweitbeste ihrer Klasse; ihre Haltung den Büchern gegenüber war reine Angriffslust.
    »Du sollst morgen das Examen über das Strafgesetzbuch able -
    gen und in zwei Tagen den polizeilichen Eignungstest machen.
    Vergewissere dich, daß Supremo Crawford weiß, daß du wieder von vorn anfangen mußt, wenn er nicht vorsichtig ist. Sobald er sagt: ›Gute Arbeit, Auszubildende Starling‹, sag du bloß nicht:
    ›Das Vergnügen war ganz meinerseits. ‹ Du sagst ihm knallhart in sein altes Osterinselgesicht: ›Ich zähle auf Sie, persönlich dafür zu sorgen, daß ich nicht repetieren muß, weil ich den Unterricht verpaßt habe.‹ Kapierst du, was ich sage?«
    »Ich kann eine Nachprüfung über das Strafgesetzbuch able -
    gen«, sagte Starling und öffnete eine Haarklammer mit den Zähnen.
    »Ganz recht, und ohne Zeit zum Studieren rasselst du durch, glaubst du etwa, sie werden dich nicht repetieren lassen? Willst du mir das im Ernst einreden? Mädchen, sie lassen dich die Hin-tertreppe runtersegeln wie ein totes Osterküken. Dankbarkeit hat eine kurze Halbwertzeit, Clarice. Bring ihn dazu, daß er sagt, keine Wiederholung. Du hast gute Noten - bring ihn dazu, daß er es sagt.
    Ich würde nie wieder eine Zimmergenossin finden, die so schnell bügeln kann wie du, eine Minute vor Unterrichtsbeginn.«
    Zügig steuerte Sterling ihren alten Pinto die vierspurige Fahrbahn hoch, einen Kilometer pro Stunde unter der Geschwindigkeit, wo das Rattern der Vorderräder einsetzt. Der Geruch von heißem öl und Moder, das Klappern unter dem Chassis, das Wimmern der Triebwelle - in all dem schwangen leise Erinnerungen an den klei- nen Lieferwagen ihres Vaters mit, ihre Erinnerungen daran, neben ihm mit ihren herumtobenden Geschwistern dahinzufahren.
    Nun saß sie am Steuer und fuhr durch die Nacht, und die wei-
    ßen Striche huschten blip blip blip unter ihr weg. Sie hatte Zeit zum Denken. Ihre Ängste hauchten sie von dicht hinter ihrem Nacken aus an; andere, jüngere Erinnerungen bedrängten sie direkt neben ihr.
    Starling hatte große

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