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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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wurde, was sie gesagt hatte.
    Er stand neben ihr und beugte sich zu ihr herab, als sie beide vorgaben, seine Arbeit zu begutachten. Sie spürte seinen Blick auf ihrem Profil und wusste, dass ihre Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt waren.
    Eine lange lockige Strähne ihres Haars löste sich und fiel wie ein Vorhang zwischen sie. Langsam strich er mit dem Finger an ihrer Schläfe entlang und schob die Locke hinter ihr Ohr. Ihr Herz raste und ihre Haut prickelte unter seiner Berührung. Wenn sie sich in seine Richtung neigte, nur ein kleines Stück, könnte sie seine Lippen mit ihren streifen. Wollte sie das? Wollte er das?
    Quietschend öffnete sich die Tür der Schreinerei und Olivia zuckte zusammen. Neben ihr richtete sich Lord Bradley abrupt auf. Croome stand in der Tür, die Augen misstrauisch zusammengekniffen, einige erbeutete Vögel in der Hand.
    »Ja, bitte? Was gibt es?«, erkundigte sich Lord Bradley etwas abwehrend.
    Der Wildhüter schaute zwischen Lord Bradley und Olivia hin und her. »Ich habe die Tür zu dieser alten Werkstatt offenstehen sehen und dachte, ein Marder oder ein Herumtreiber wäre hereingekommen.« Er richtete demonstrativ den Blick auf Olivia.
    Lord Bradley erwiderte: »Wie Sie sehen können, ist das nicht der Fall.«
    Croome starrte Olivia noch einen Moment lang an, dann hob er langsam den Blick und begutachtete den Raum. »Sie benutzen die Werkstatt des alten Matthews wieder?«
    »Ja, wie Sie sehen.«
    Croome musterte die säuberlich aufgereihten Werkzeuge, den Holzstaub, die angefangene Arbeit.
    »Gibt es einen Grund, dass Sie etwas dagegen auszusetzen hätten?«, fragte Lord Bradley schroff.
    Die grauen Brauen hoben sich. »Ist nicht meine Angelegenheit.«
    »In der Tat.«
    »Ich verteile Rattenfallen in den Nebengebäuden. Wollen Sie hier auch eine haben?«
    »Ich danke Ihnen, Mr Croome.«
    Er richtete seine Augen noch einmal auf Olivia. »Passen Sie auf, dass Sie sich nicht darin verfangen.«
    Als Miss Keene die Werkstatt verließ, atmete Edward tief durch und versuchte, seine Fassung zurückzugewinnen. Er sollte und würde sich nicht zu ihr hingezogen fühlen. Er rief sich wieder Miss Harringtons Bild ins Gedächtnis und hielt sich vor Augen, dass er sie zweifellos an Weihnachten sehen würde.
    Weihnachten … Seine Geschenke würden nie rechtzeitig fertig werden, wenn er sich weiterhin wegen eines zweiten Kindermädchens zum Narren machte. Er verhielt sich bald schon so unmöglich wie Felix. Er zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder auf die Bauklötze für Alexander zu richten. Er hatte zehn davon gemacht, das wusste er sicher, und jeweils die Zahlen von 1 bis 10 auf einer Seite und auf der entgegengesetzten Seite die Buchstaben von A bis J hinein geschnitzt, wenn auch etwas primitiv. Was hatte er mit den Klötzen 1 und 2 gemacht? Sie schienen zu fehlen. In solcher Nähe mit dieser Frau zu sein, hatte sein armes Hirn völlig durcheinandergebracht. Wie hatte er die Klötze verlegen können?
    In diesem Moment klopfte Osborn und informierte ihn, dass George Linton eben eingetroffen war. »Ist Mylord für Besucher zu Hause?«
    Edward unterdrückte einen Seufzer und band seine Schürze ab. Die Arbeit – und die Suche – würde warten müssen.

     
    An diesem Abend blickte Judith ihn über den Tisch hinweg an, als sie ein Stück von ihrem Kapaun abschnitt. Sie begann ihr Tischgespräch, wie sie es oft tat, indem sie eine Bemerkung über das ausnehmend schöne Wetter der letzten Tage machte und ihn fragte, ob er glauben könne, dass es schon Dezember sei.
    Edward schob seine Gedanken an Miss Keene beiseite und murmelte zustimmend, aber er spürte, wie abgelenkt er innerlich war. Er fand es immer noch seltsam, allein mit Judith zu essen, jetzt, wo seine Eltern verreist waren und Felix nach Oxford zurückgekehrt war. Er nahm an, dass er sich an Judiths Gesellschaft gewöhnt haben sollte. Sie wohnte seit Dominicks Begräbnis vor über einem Jahr bei ihnen. Judiths Mutter, die in einem kleinen Stadthaus in Swindon lebte hatte diese Regelung vorgeschlagen. Lord Brightwell war sofort damit einverstanden gewesen und hatte seiner damals schwangeren Nichte und ihren zwei Stiefkindern bereitwillig angeboten, bei ihnen ein neues Zuhause zu finden.
    »Ich habe mit George Linton gesprochen, als er dich besucht hat«, erzählte Judith. »Was wollte er?«
    »Mit seinem neuen Jagdpferd angeben.« Edward hatte den Verdacht, dass der Besuch nur ein Vorwand gewesen war, um einen Blick auf

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