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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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für das Kind entschieden habe, war er immerhin anständig genug, ihr einen Antrag zu machen. Kat willigte ein, aber nicht etwa, weil sie seine Frau werden wollte, sondern weil es das Richtige zu sein schien.
    Die Hochzeitszeremonie dauerte zehn Minuten. Anschließend gab es Bier, Chips und einen Kuchen, den Lou am Vorabend gebacken hatte. Ihre Hochzeitsreise bestand in Kats Umzug vom Haus ihrer Mutter in Jacks Wohnung. Während der verbleibenden Schwangerschaftsmonate taten beide so, als wären sie glücklich. Für die anderen sollte allerdings bereits die Tatsache, dass Kat ihren Mädchennamen behalten hatte, ein Zeichen dafür sein, dass die Ehe nicht von Bestand sein würde.
    Als James mit Trisomie 21 zur Welt kam, gelobte Kat, ihren Sohn zeit ihres Lebens zu lieben und zu beschützen. Jack versicherte ihr, der Herausforderung, ein Kind mit besonderen Bedürfnissen aufzuziehen, durchaus gewachsen zu sein, und Kat wollte ihm glauben. Im Grunde aber zweifelte sie daran. Sie hatte angenommen, die Ehe würde mindestens ein Jahr halten. Am Ende dauerte sie zehn Monate.
    Sie nahm es Jack nicht übel, dass er sich von ihr scheiden ließ, den Dienst quittierte und nach Montana zog. Sie hegte auch keinen Groll, als er zwei Jahre später jeglichen Kontakt zu ihr und dem gemeinsamen Kind abbrach. Jack war labil, was sie ihm durchaus verzeihen konnte. Außerdem wusste sie, dass die Liebe zu James ihr über alle Schwierigkeiten hinweghelfen würde.
    Aus Liebe zu ihm nahm sie auch ihren Polizeidienst wieder auf, als James sieben wurde. Als seine Mutter fühlte sie sich für seinen Schutz verantwortlich, und wie schon ihr eigener Vater glaubte sie, dieser Aufgabe am besten gerecht zu werden, indem sie die ganze Stadt beschützte. Solange es in Perry Hollow sicher war, würde auch James in Sicherheit sein.
    Abgesehen von ein paar erwachsenen Varianten des Amber-Lefferts-Modells gab es keinerlei Probleme in der kleinen, verschlafenen und ein bisschen langweiligen Stadt.
    Bis heute.
    Als sie die Main Street entlangfuhr, fragte sich Kat, wie die Bewohner von Perry Hollow mit den verstörenden Umständen des Todes von George Winnick umgehen würden. Wahrscheinlich ebenso ratlos und verunsichert wie sie selbst, dachte sie.
    Die im südöstlichen Pennsylvania gelegene und von Bergen umgebene Kleinstadt war nach Mr. Irwin R. Perry benannt, der inmitten ausgedehnter Fichtenwälder ein Sägewerk errichtet hatte, das einer zunehmenden Anzahl von Menschen sichere Arbeitsplätze bot. Perry Hollow war noch nie besonders groß oder reich gewesen, aber es war angenehm und behaglich hier, und den Menschen, die hier lebten, reichte das.
    Um das Sägewerk, die Perry Mill, herum, das am Ufer des Lake Squall lag, hatte sich die Stadt ausgebreitet, mit Häusern für die Arbeiter und Geschäften, in denen der Lohn ausgegeben wurde. Auch Kat war gewissermaßen ein Produkt des Sägewerks, denn dort hatten sich ihre Großeltern kennengelernt.
    In den Sechzigern ging die Nachfrage nach Bauholz zurück, und die folgenden Jahrzehnte waren für das Werk und die Stadt eine wirtschaftliche Talfahrt. Als 1990 das Werk geschlossen wurde, zog ein Großteil der Bewohner fort, und die Stadt bot ein deprimierendes Bild leerer Schaufenster und verfallender Wohnhäuser.
    Zehn Jahre später eröffnete ein New Yorker Gastronom ein schickes französisches Bistro in Perry Hollow, dem niemand zutraute, dass es Erfolg haben würde. Jedenfalls gab es in der Stadt kaum jemanden, der es sich leisten konnte, dort zu speisen. Aber es kamen jede Menge auswärtige Gäste. Das Restaurant florierte dank einer Idee, die sich «Destination Dining» nannte. Zum ersten Mal seit Jahren stiegen Fremde in Perry Hollow wieder aus, statt auf dem Weg zur Autobahn schnellstmöglich hindurchzurasen.
    Dem Restaurant folgten weitere Geschäfte. Neben einem kleinen Hotel machte eine Gourmet-Bäckerei auf. Hinzu kamen eine Galerie, die sich auf moderne Malerei spezialisierte, sowie mehrere teure Boutiquen. Alteingesessene wie Kat fanden sich plötzlich in einer Künstlerkolonie wieder.
    Keiner der Bewohner hatte damit gerechnet, dass es mit der Stadt nochmal so bergauf gehen würde, aber ob es einem gefiel oder nicht – und Kat gefiel es –, es sah jedenfalls so aus, als würde es diesmal so bleiben.
    Kat passierte die Main Street und ließ den Blick schweifen. Da war das Café
Big Joe’s
, das rund um die Uhr geöffnet hatte. Gleich daneben wartete Jasper Fox in seinem Blumenladen

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