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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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Rücken, der nun aber nicht mehr abzuklingen schien. Er steckte das Fax in die Tasche, schnappte sich seinen Mantel und rannte nach draußen.

Drei
    Nick Donnelly saß einem hässlichen Mann gegenüber, daran gab es nichts zu deuteln. Das lag in diesem Fall eindeutig nicht im Auge des Betrachters. Er war abgrundtief hässlich, doch Nick konnte seinen Blick nicht von ihm wenden. Er war fasziniert von diesen pockennarbigen Wangen, den fettigen Haaren und dem Gebiss, das ihn an einen angeknabberten Maiskolben erinnerte.
    Es musste eine Folter sein, so abstoßend auszusehen, dachte Nick. Zum Glück konnte er es nicht wirklich nachempfinden. Er selbst entstammte einem wohlgeratenen Clan schwarzhaariger Iren, deren Körper und Gesichter von Michelangelo gemeißelt zu sein schienen. Dazu kam noch das schalkhafte Lächeln, das Nick von seinem Vater geerbt hatte. Nick wusste, dass er verteufelt gut aussah.
    Aber dieser andere Vogel – dieser Edgar Sewell am anderen Ende des Tisches – hatte es wahrscheinlich verdammt schwer im Leben. Immer gehänselt und mit Hohn und Spott bedacht zu werden, schrecklich. Bestimmt tat er sich selbst leid, sooft er in den Spiegel blickte. Aber das entschuldigte nicht, was er getan hatte. Nichts konnte das entschuldigen, egal, wie hässlich er war.
    «Verraten Sie’s mir, Edgar», sagte Nick. «Warum haben Sie das getan?»
    Edgar steckte in einem orangefarbenen Overall. Er blickte auf seine Handschellen und murmelte: «Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.»
    Die Stimme passte zu seinem Aussehen. Sie war unerträglich, quietschend und brüchig, eine Zumutung für Nicks Ohren.
    «Wiederholen Sie’s.»
    «Wozu?»
    «Weil ich Ihnen helfen möchte.»
    Das war gelogen. Bei Edgar Sewell, dem Mörder von drei kleinen Mädchen, waren Hopfen und Malz verloren. Er würde den Rest seines Lebens in diesem Scheißgefängnis am Stadtrand von Philadelphia zubringen müssen. Trotzdem wollte Nick dahintersteigen, wie dieser Kerl tickte und was ihn veranlasst hatte, diese scheußlichen Verbrechen zu begehen. Vielleicht würde es ihm dabei helfen, anderen Mördern das Handwerk zu legen, die unschuldigen und ahnungslosen Opfern auflauerten. Darum fragte er nach.
    «Sie haben mir gesagt, ich soll das machen», antwortete Edgar.
    «Wer?»
    «Die Stimmen.»
    Die alte Leier. Nick hatte in der vergangenen Woche vier Mörder vernommen, und Edgar war der dritte, der diese Ausrede benutzte. Aber es war nur blödes Gewäsch, um die wahren Motive zu kaschieren. Leute wie Edgar töteten nicht auf Geheiß irgendwelcher ominöser Stimmen. Sie töteten aus Verlangen.
    «Wie haben diese Stimmen geklungen?»
    «Weiß ich nicht mehr.»
    Nick lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. «Interessant. Wenn mir jemand zuflüsterte, ich solle kleine Mädchen abschlachten, würde ich mich an die Stimme wahrscheinlich sehr genau erinnern.»
    Edgar schlug einen anderen Ton an. «Doch, ich erinnere mich.»
    «Erzählen Sie.»
    Edgar ließ sich Zeit. Er legte seinen linken Daumen an die Lippen und leckte daran. Die Zunge kreiste um den Daumennagel. Ähnliches war Nick schon bei zwei anderen Mördern aufgefallen, eine Marotte, die auf eine frühkindliche Störung hinzuweisen schien.
    Als Edgar bemerkte, dass Nick ihn beobachtete, nahm er den Daumen vom Mund und sagte: «Elvis.»
    Originell, dachte Nick. Die beiden anderen hatten den Leibhaftigen vorgeschoben. Aber diese offensichtliche Lüge machte ihn auch sauer. Nach einer geschlagenen Stunde hatte er immer noch nichts Neues von Edgar Sewell erfahren. Es wurde langsam Zeit, ihn zum Reden zu bringen.
    Nick griff in seine Aktentasche, die am Stuhlbein lehnte, und entnahm ihr einen braunen Umschlag, in dem drei Fotos steckten. Auf dem ersten war ein dunkelhaariges Mädchen zu sehen, das schüchtern in die Kamera lächelte. Nick schob es Edgar über die Tischplatte hin.
    «Lainie Hamilton. Erinnern Sie sich an sie?»
    Edgar wandte den Kopf zur Seite und starrte die Wand an.
    «Ich weiß, dass Sie sich erinnern», fuhr Nick fort. «Sie war acht und wohnte im Stockwerk unter Ihnen. Ronette, ihre Mutter, war Prostituierte, wie Ihre Mutter. Am 1. Juni 1980 haben Sie ihr zwanzig Dollar gegeben, um Sex mit ihr zu haben. Na, klingelt’s?»
    Edgar steckte den Daumen in den Mund und schüttelte den Kopf.
    «Sie hat Sie abblitzen lassen, stimmt’s? Hat Sie ausgelacht und womöglich gesagt, dass Sie ihr viel zu hässlich sind. Sie sind nach oben zurück in Ihre Wohnung gegangen

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