Das Schweigen der Tukane
kurzen Gespräch ziemlich verzweifelt. Hat er sich bei dir gemeldet?»
«Nein! Ich schwörs!»
«Wo könnte sich Nora verstecken? Sie ist weder bei Thuri noch bei ihren Eltern. Das haben Georgs Leute überprüft.»
«Vielleicht verstecken sie sich ‹Im Sternen› in Langenbruck.»
«Wieso dort?»
«Da haben sie ihre erste gemeinsame Nacht verbracht, wenn auch nicht so, wie Thuri es sich vorgestellt hat.»
«Weiter, Noldi, es ist wichtig!»
«Mehr fällt mir dazu nicht ein. Nadine, ich …»
Doch die war bereits nach draussen verschwunden.
In Langenbruck wurde die Baselbieter Polizei leider auch nicht fündig. Nora und Arthur waren zwar im Hotel bekannt, der Hotelier schwärmte in den höchsten Tönen von deren Tochter, mit der er immer und immer wieder über die Ökorodelbahn gedüst sei, doch leider seien sie schon länger nicht mehr hier zu Gast gewesen.
Hanspeter Sondereggers Büro befand sich im Industriezentrum hinter dem Bahnhof St. Johann. Ferrari erkannte ihn auf Anhieb. Sein Gesicht hatte ihn wochenlang auf den Wahlplakaten verfolgt. Er stand vor einem grossen Lagergebäude auf einer der Rampen und diskutierte mit einem Chauffeur. Als sie ausstiegen, beendete er das Gespräch mit dem Lastwagenfahrer.
«Ich habe schon viel von Ihnen und Ihrer Kollegin gehört, Herr Ferrari. Freut mich, Sie endlich einmal persönlich kennenzulernen, Frau Kupfer. … Wollen wir unser Gespräch in meinem Büro führen oder lieber dort drüben?» Er zeigte auf eine kleine Baracke, die zum Café umfunktioniert worden war.
«Am besten dort, wo wir uns ungestört unterhalten können.»
«Dann wohl doch besser in meinem Büro.»
Hanspeter Sonderegger war Inhaber mehrerer Lagerhäuser. Er vermietete einzelne Stockwerke oder auch nur quadratmeterweise, je nach Bedarf.
«Ihr Geschäft scheint zu florieren», begann Ferrari das Gespräch.
«Wichtig sind eine gute Lage, nicht zu weit weg vom Zentrum, und eine den Kundenbedürfnissen angepasste Infrastruktur. Regale, die Platz für Paletten bieten, aber auch die Nutzung von Staplern muss möglich sein. Sie können auch Personal stunden- oder tageweise bei uns mieten. Das lohnt sich vor allem für KMUs, die selbst produzieren und nicht alles auf einmal verkaufen können. Die lagern dann ihre Waren bei uns ein und rufen sie nach Bedarf ab. Unser Kundenstamm besteht aus Kaffeegrosshändlern, Bauunternehmern bis hin zu einem Verlag.» Sonderegger machte eine kurze Pause und fuhr dann in ernstem Ton fort: «… eine tragische Geschichte, das mit Peter. Ein grosser Verlust für uns alle. Menschlich, aber auch als Exponent der Partei. Lassen Sie mich bitte noch vorab eines bemerken. Ich weiss, dass Remo und ich eine grosse Dummheit begangen haben. Es war eine Kurzschlusshandlung. Mein erster Gedanke war, wir müssen Peter dort rausholen. An etwas anderes habe ich nicht gedacht. Selbstverständlich werde ich dafür geradestehen und die Konsequenzen tragen.»
«Eine Meisterleistung war das tatsächlich nicht.»
«Das ist milde ausgedrückt, Herr Kommissär.»
«Kannten Sie Nora Schüpfer?»
«Nein. Wir sind uns nie begegnet. Ich bin aus allen Wolken gefallen, als mich Gerber anrief.»
«Wie lange kennen Sie Peter Grauwiler?»
«Seit der Parteigründung, das sind etwa fünfzehn Jahre. Wir sind eine Splitterpartei. Unsere Gegner sagen, dass wir ein Sammelsurium von Unzufriedenen seien, die sich in keiner anderen Partei wohlfühlten. Ich war früher bei der FDP. Peter kam vom linken Flügel, ein eingefleischter Sozi.»
«Grauwiler war Ihr Frontmann.»
«Wenn Sie es so nennen wollen, Frau Kupfer. Peter hatte Charisma, er hielt die Partei am Leben. Wir setzten voll auf ihn. Allerdings zeichnete sich ein Umbruch ab. Vor zwei Wochen kündete Peter völlig überraschend seinen Rücktritt an. Nicht nur als Nationalrat, er wollte sich vollkommen aus der Politik zurückziehen. An der nächsten Vorstandssitzung wollten wir über seine Nachfolge im Nationalrat diskutieren.»
«Da kommt doch sicher nur der Parteipräsident infrage.»
«Unter keinen Umständen. Das lassen meine Geschäfte nicht zu. Das Präsidium ist bereits ein Grenzfall. Mehr geht nicht.»
«Wer ist Peter Grauwilers Mörder?»
«Eigenartige Frage, Frau Kupfer. Diese Nora Schüpfer … denke ich», fügte er hinzu.
«Und wenn es nicht Nora Schüpfer gewesen ist?»
Sonderegger dachte nach.
«Niemand aus der Partei. Sein Privatleben kenne ich gut, da kommt auch keiner infrage. Und in der Kanzlei lief es saumässig
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