Das Schweigen des Glücks
folgte, war in jeder Hinsicht ein Festmahl: Das Essen war köstlich, das Ambiente überaus romantisch. Als das Dessert kam, griff Taylor über den Tisch nach ihrer Hand. Die nächste Stunde ließ er sie nicht wieder los. Im Laufe des Abends tauchten sie immer tiefer in das Leben des jeweils anderen ein. Taylor erzählte Denise von seinen Erlebnissen bei der freiwilligen Feuerwehr und den besonders gefährlichen Einsätzen, er sprach von Mitch und Melissa, den beiden Freunden, die ihn durch alles begleitet hatten. Denise erzählte von ihrer Studienzeit und den ersten beiden Jahren als Lehrerin und schilderte ihre Hilflosigkeit, als sie völlig unvorbereitet das erste Mal vor eine Klasse getreten war. Für beide war dieser Abend der Anfang ihres Lebens als Paar. Es war auch das erste Mal, dass sie miteinander sprachen und den Namen Kyle nicht erwähnten.
Als sie nach dem Essen auf die verlassene Straße traten, fiel Denise auf, wie anders der alte Teil der Stadt bei Dunkelheit erschien, wie ein Ort aus vergangener Zeit. Abgesehen von dem Restaurant, aus dem sie gerade kamen, und einer Bar um die Ecke war alles geschlossen. Sie kamen an einem Antiquitätengeschäft und einer Kunstgalerie vorbei und schlenderten über den gepflasterten Bürgersteig, der mit der Zeit Risse bekommen hatte.
Es war ganz still um sie herum und sie verspürten kein Bedürfnis zu sprechen. In wenigen Minuten waren sie am Hafen, wo Denise die Schiffe, die dort vor Anker lagen, erkennen konnte. Es waren kleine und große, neue und alte, Segelboote aus Holz und Wochenendtrawler. Auf einigen Schiffen brannte Licht in den Kajüten, aber das einzige Geräusch war das Plätschern des Wassers an der Kaimauer.
Als sie sich an das Geländer in der Nähe der Docks lehnten, räusperte Taylor sich und nahm Denises Hand.
»Edenton war einer der ersten Häfen im Süden, in dem sich Siedler niederließen. Obwohl die Stadt nicht mehr als ein Außenposten war, machten die Handelsschiffe hier Halt, entweder um ihre Waren zu verkaufen oder um ihre Vorräte aufzustocken. Siehst du die Geländer auf den Häuserdächern da drüben?«
Er zeigte auf einige der historischen Häuser am Hafen. Denise nickte.
»In der Kolonialzeit war die Schifffahrt gefährlich und die Ehefrauen standen auf diesen Balkons und warteten darauf, dass die Schiffe ihrer Männer in den Hafen einliefen. Aber es sind so viele der Männer auf See umgekommen, dass man die Balkons ›Witwenausguck‹ nannte. Hier in Edenton sind die Schiffe nie direkt in den Hafen eingefahren. Sie gingen immer schon vorher vor Anker, und wenn die Reise noch so lang gewesen war, und die Frauen standen auf den Witwenausgucken und hielten angestrengt Ausschau, ob ihre Männer auf dem Schiff waren.«
»Warum haben sie vor dem Hafen geankert?«
»Es gab da einen Baum, eine riesige Zypresse, die ganz allein stand. Daran erkannten die Schiffe, dass sie Edenton erreicht hatten, besonders wenn sie nie zuvor hier waren. Es war der einzige Baum dieser Art an der ganzen Ostküste. Normalerweise wachsen Zypressen nah am Wasser, aber diese stand mindestens siebzig Meter vom Wasser entfernt. Sie war wie ein Monument, weil sie so fehl am Platze wirkte. Also, aus irgendeinem Grund wurde es Brauch, dass die Schiffe bei dem Baum anhielten, bevor sie in den Hafen einliefen. Jemand stieg in ein Beiboot, ruderte an Land und stellte eine Flasche Rum in den Stamm, zum Dank dafür, dass das Schiff den Hafen heil erreicht hatte. Und wenn ein Schiff auslief, hielt die Mannschaft an dem Baum an und jeder trank ein Gläschen Rum in der Hoffnung auf eine sichere und erfolgreiche Reise. Deswegen hieß der Baum der ›Rumbaum‹.«
»Ist das wirklich wahr?«
»Ja, sicher. In der Stadt gibt es jede Menge Legenden von Schiffen, die nicht für ihr Gläschen Rum angehalten haben und danach verschollen sind. Es hieß, man würde so ein Unglück heraufbeschwören, und nur die Törichten beachteten den Brauch nicht. Die Seeleute brachten sich in Gefahr, wenn sie sich über ihn hinwegsetzten.«
»Was geschah, wenn ein Schiff auslaufen wollte und beim Baum war kein Rum? Haben sie dann kehrtgemacht?«
»Der Legende nach ist das nie vorgekommen.«
Er blickte über das Wasser und seine Stimme klang plötzlich anders.
»Mein Vater hat mir die Geschichte erzählt, als ich klein war. Ich erinnere mich daran. Er hat mich mitgenommen zu der Stelle, wo der Baum gestanden hatte, und hat mir die Geschichte erzählt.«
Denise lächelte.
»Weißt du
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