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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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verkraften.«
    »Die Viola ist vor Trauer gestorben.«
    »Wer ist Viola?«
    »Die Hündin von Can Casic. Mittelbraun mit schwarzer Schnauze und Hängeohren.«
    Gewiss verstand Daniela ihn nicht, sie sagte jedoch nichts. Adrià sah sie einen Moment schweigend an.
    »Warum erzählst du mir das alles?«
    »Du sollst wissen, wer unser Vater war.«
    »Du hasst ihn.«
    »Unser Vater ist tot, Adrià.«
    »Aber du hasst ihn. Warum bist du nach Tona gekommen?«
    »Um mit dir zu sprechen, ohne deine Mutter. Um mit dir über den Laden zu sprechen. Wenn er einmal dir gehört, würde ich gern als Teilhaberin einsteigen.«
    »Aber was habe ich damit zu tun. Das musst du mit meiner Mutter verhandeln …«
    »Mit deiner Mutter ist nicht zu reden. Das weißt du selbst zur Genüge.«
    Die Sonne war schon vor einer Weile hinter Collsuspina untergegangen, und ich fühlte mich unendlich leer. Das Licht wurde schwächer, und ich meinte, die ersten Grillen zu hören. Bleich erwachte der Mond über Collsacabra. Hatte sie gesagt, wenn der Laden einmal mir gehört?
    »Zwangsläufig wird der Laden einmal dir gehören. Früher oder später.«
    »Du kannst mich mal.«
    Das hatte ich auf Katalanisch gesagt, doch ihrem feinen Lächeln war anzusehen, dass sie mich genau verstanden hatte, auch wenn sie keine Regung zeigte.
    »Ich habe dir noch mehr zu erzählen. Übrigens, welche Geige hast du dabei?«
    »Ich habe nicht vor, viel zu üben. Eigentlich habe ich es aufgegeben. Ich habe sie nur Tante Leo zuliebe mitgebracht.«
    Da es bald dunkel sein würde, machten sie sich an den Abstieg über den Küstenpfad. Er lief ungeachtet des Abgrunds mit langen Schritten voraus, als wollte er ihr etwas heimzahlen, und sie folgte ihm trotz ihres engen Rocks anscheinendohne Schwierigkeiten. Der Mond stand schon höher, als sie den Friedhof und den Waldrand erreichten.
    »Welche Geige hast du denn nun dabei?«
    »Die Übungsgeige. Warum?«
    »Soweit ich weiß«, fuhr Signor Sowieso fort und stand noch immer mitten auf der Straße, »ist diese Geige dafür bekannt, dass sie nie über längere Zeit gespielt wurde. Wie die Messias von Stradivari, wissen Sie?«
    »Nein«, sagte Ardèvol ungeduldig.
    »Was ich sagen will, ist, dass ihr Wert dadurch noch gesteigert wird. Im selben Jahr, in dem sie hergestellt wurde, verschwand sie spurlos, entwendet von Guillaume-François Vial. Vielleicht hat es Leute gegeben, die auf ihr gespielt haben, aber darüber ist nichts bekannt. Und jetzt finden wir sie hier. Das ist ein Instrument von unschätzbarem Wert.«
    »Das wollte ich hören, verehrter Dottore.«
    »Ist das wirklich seine erste?«, fragte neugierig Senyor Berenguer.
    »Ja.«
    »Ich würde die Finger davon lassen, Senyor Ardèvol. Es ist viel Geld.«
    »Ist sie es wert?«, fragte Fèlix Ardèvol und sah Signor Sowieso an.
    »Ich würde es bezahlen, ohne zu zögern. Wenn ich so viel hätte. Sie hat einen wundervollen Klang.«
    »Ihr Klang ist mir völlig schnurz.«
    »Und einen ungeheuren symbolischen Wert.«
    »Das interessiert mich schon mehr.«
    Sie verabschiedeten sich, weil es anfing zu regnen. Sie verabschiedeten sich, nachdem Signor Sowieso seinen Lohn für die Begutachtung im Stehen auf der Straße kassiert hatte. Der zerstörerische Krieg, die Millionen von Toten und zerbombten Städte hatten dazu geführt, dass man ohne Förmlichkeiten an einer beliebigen Straßenecke Geschäfte abwickelte, die Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen haben konnten. Sie verabschiedeten sich, als Fèlix Ardèvol sagte, einverstanden, er werde Senyor Berenguers Rat befolgen, und ja,fünfzigtausend Dollar seien zu viel Geld. Und vielen Dank Ihnen beiden. Und vielleicht trifft man sich ja mal wieder. Bevor Senyor Berenguer um die Ecke bog, drehte er sich noch einmal um und schaute Ardèvol nach. Er tat, als zündete er sich eine Zigarette an, obwohl er gar keine in der Hand hielt, um ihn besser beobachten zu können. Fèlix Ardèvol spürte den Blick des anderen im Nacken, wandte sich aber nicht um.
    »Wer ist Signor Falegnami?«
    Wieder war er im Kloster Santa Sabina. Wieder waren sie in dem Korridor, in dem Heimlichkeiten kein Echo erzeugten. Pater Morlin sah auf die Uhr und zog Ardèvol resolut zum Ausgang.
    »Aber Morlin, es regnet, verdammt noch mal!«
    Pater Morlin spannte einen riesigen Schirm auf, fasste Ardèvol am Arm, und wandelte mit ihm vor dem Kloster auf und ab. Es sah aus, als spräche ein Dominikanermönch einem armen Sterblichen in Gewissensnöten Trost zu, als

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