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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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nichts?«
    »Komm schon, wer ist das?«
    »Ein rumänischer Sprachwissenschaftler, bei dem ich studieren möchte.«
    »Jetzt erinnere ich mich düster …«
    Er verfiel in mürrisches Schweigen, hielt es aber nicht lange aus: »Kannst du denn nicht hier weiter studieren? Schließlich hast du die Hälfte schon hinter dir und schreibst hervorragende Noten, verdammt noch mal.«
    Ich sagte nicht, dass ich gern bei Nestle studieren würde, denn als Bernat und ich uns in der Cafeteria der Fakultät trafen, umgeben von Geschrei, Gedränge, Hektik und Milchkaffees, wusste ich bereits, dass Wilhelm Nestle schon lange tot war. Es wäre mir vorgekommen wie die Fälschung eines Zitats in der Fußnote.
    Nachdem ich zwei Tage nichts von ihm gehört hatte, kam er, um für das Examen zu üben, als wäre ich sein Lehrer. Adrià öffnete ihm die Tür, und zur Begrüßung streckte ihm Bernat drohend einen Finger entgegen.
    »Ist dir klar, dass in Tübingen auf Deutsch unterrichtet wird?«
    »Wenn du willst, kannst du auf der Storioni spielen«, erwiderte Adrià kalt lächelnd auf Deutsch und winkte ihn herein.
    »Ich weiß zwar nicht, was du gesagt hast, aber ich bin einverstanden.«
    Und während er den Bogen sorgsam mit Harz einrieb – wenig, damit die Haare nicht verklebten –, murrte er, es wäre nett gewesen, wenn du mit mir darüber gesprochen hättest.
    »Weshalb?«
    »Weil ich zufällig dein bester Freund bin.«
    »Darum sage ich es dir ja jetzt.«
    »Dein engster Freund, du Mistkerl! Du hättest sagen können, mir schwirrt da eine verrückte Idee durch den Kopf; ich würde nämlich gern ein paar Wochen in Tübingen verbringen. Was hältst du als mein bester und engster Freund davon? Unter Freunden führt man solche Gespräche, weißt du noch?«
    »Du hättest gesagt, ich solle es mir aus dem Kopf schlagen. Und dieses Gespräch haben wir schon geführt.«
    »Nicht unter diesen Vorzeichen.«
    »Du willst mich nur immer in Reichweite haben.«
    Statt einer Antwort legte Bernat die Partituren auf den Tisch und begann mit dem ersten Satz des Beethoven-Konzerts. Nach der Einleitung übernahm ich den Part eines verstimmten Orchesters, indem ich die Klaviernoten mitsummte und sogar den Klang einiger Instrumente nachahmte. Am Ende war ich erschöpft, aber glücklich und begeistert, denn Bernat hatte es fehlerfrei und mit etwas mehr als reiner Perfektion gemeistert; als wollte er klarstellen, dass ihm meine letzte Äußerung nicht gefallen hatte. Als er geendet hatte, unterbrach ich die anschließende Stille nicht.
    »Und?«
    »Gut.«
    »Sonst nichts?«
    »Sehr gut. Anders.«
    »Anders?«
    »Anders. Wenn ich richtig gehört habe, warst du wirklich drin in der Musik.«
    Wir schwiegen. Er setzte sich und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Dann sah er mir in die Augen. »Du willst fliehen. Ich weiß nicht, vor wem, aber du willst fliehen. Ich hoffe, nicht vor mir.«
    Ich sah die Partituren durch, die er mitgebracht hatte. »Ich halte es für eine gute Idee, dass du die vier Massià-Stücke spielen willst. Wer wird dich am Klavier begleiten?«
    »Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass es stinklangweilig sein könnte, dieses ganze Zeug über die Ideen und so zu studieren, das du studieren willst?«
    »Massià hat es verdient. Und sie sind sehr schön. Am liebsten mag ich das Allegro spirituoso .«
    »Und wieso willst du überhaupt bei einem Linguisten studieren, wo es dir doch eigentlich um Ideengeschichte geht?«
    »Sei vorsichtig bei der Chaconne, die hat ihre Tücken.«
    »Du Dreckskerl, bleib hier.«
    »Ja«, sagte er. »Von der Kunstakademie.«
    »Und worum geht es?« Die abweisende, misstrauische Gestalt Senyora Voltes-Epsteins schüchterte ihn ein. Er schluckte und sagte, es fehlt noch etwas, um die Umschreibung durchführen zu können, und dazu brauchen wir ihre Anschrift.
    »Gar nichts brauchen Sie.«
    »Aber ja. Den Rückmeldeschein.«
    »Und was soll das sein?« Sie schien ehrlich neugierig.
    »Nichts. Eine Kleinigkeit. Aber der Antragsteller muss selbst unterschreiben.« Er schaute auf die Papiere und korrigierte sich in beiläufigem Ton: »Die Antragstellerin.«
    »Lassen Sie mir die Papiere hier, und ich …«
    »Nein, nein. Dazu bin ich nicht befugt. Wenn Sie mir vielleicht wenigstens den Namen der Pariser Schule sagen, wohin die Immatrikulation übertragen wurde …«
    »Nein.«
    »Der Akademie liegt er nicht vor … Uns liegt er nicht vor«, verbesserte er sich.
    »Wer sind Sie?«
    »Verzeihung?«
    »Meine Tochter

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