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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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ist: Es ist mir auch völlig egal. Von Elisa ganz zu schweigen.«? Weißt du noch? Nun, diese Erzählung ohne glaubhafte Gefühle hat den Preis Recull de Blanes gewonnen. Von einer intelligenten Jury verliehen. Ich bin glücklich. Dein Freund Bernat.
    Ich freue mich sehr für dich, schrieb Adrià zurück. Aber vergiss nicht, wenn du den Text nicht überarbeitet hast, ist er genauso schlecht wie vorher. Dein Freund Adrià. Und Bernat schickte ein Eiltelegramm zurück, in dem stand Leck mich am Arsch stop. Dein Freund Bernat stop.
    Zurück in Barcelona, bekam ich die Leitung eines Seminars über Geschichte der Ästhetik und Kultur an der Universität Barcelona angeboten und sagte ohne zu überlegen zu, obwohl ich das Geld nicht brauchte. Es entbehrte nicht einer gewissen Komik, dass ich nach vier Jahren im Ausland Arbeit in meinem Viertel fand, nur zehn Minuten Fußweg von zu Hause entfernt. Und gleich am ersten Tag, als ich in die Fakultät ging, um die Einzelheiten meiner Anstellung zu besprechen, lernte ich Laura kennen. Am ersten Tag! Sie war blond, eher klein, freundlich, stets zum Lachen aufgelegt und – was ich nicht gleich erkannte – tief in ihrem Inneren voller Traurigkeit. Eine Studentin im fünften Studienjahr, die nach irgendeinem Professor fragte, der, wie sich herausstellte, ihre Magisterarbeit ausgerechnet über Coseriu betreute. Sie hatte blaue Augen. Eine angenehme Stimme.Nervöse, nicht besonders gepflegte Hände. Und ein sehr interessantes Kölnischwasser oder Parfüm – ich weiß bis heute nicht genau, was der Unterschied ist. Adrià lächelte sie an, und sie sagte, hallo, arbeitest du hier? Er sagte: Das weiß ich noch nicht so genau. Und du? Und sie antwortete: Schön wär’s!
    »Du hättest nicht zurückkommen sollen.«
    »Warum?«
    »Deine Zukunft liegt in Deutschland.«
    »Dabei wolltest du doch nicht, dass ich gehe! Wie läuft’s mit der Geige?«
    »Ich bewerbe mich um eine feste Stelle im Orchester Ciutat de Barcelona.«
    »Das ist doch prima, oder?«
    »Ja, schon: Ich werde verbeamtet.«
    »Nein: Du wirst Geiger in einem guten Orchester, das noch viel besser werden kann.«
    »Wenn ich die Aufnahmeprüfung schaffe.« Er zögerte kurz. »Und ich heirate Tecla. Willst du mein Trauzeuge sein?«
    »Klar! Wann heiratet ihr?«
    Unterdessen geschah einiges. Ich brauchte zum Lesen jetzt eine Brille, und meine Haare begannen, sich stillschweigend zu lichten. Ich lebte allein in einer riesigen Wohnung im Eixample, inmitten von Kisten voller Bücher, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte und die auszupacken, zu sortieren und einzuräumen ich mich nicht aufraffen konnte, unter anderem deshalb, weil ich keine Regale hatte. Und von allem, was geschah, war das Wichtigste, dass ich Lola Xica nicht zum Bleiben überreden konnte.
    »Auf Wiedersehen, Adrià, mein Junge.«
    »Es tut mir so leid, Lola Xica.«
    »Ich möchte mein eigenes Leben leben.«
    »Das verstehe ich ja. Aber hier ist immer noch dein Zuhause.«
    »Hör auf mich und such dir eine Haushälterin.«
    »Nein, nein. Wenn du nicht … Ausgeschlossen.«
    Würde ich weinen, weil Lola Xica wegging? Nein. Stattdessen kaufte ich mir einen anständigen Flügel und stellte ihn ins Schlafzimmer meiner Eltern, in dem nun ich schlief. Der breite Flur hatte sich schon an die hinderlichen, unausgepackten Bücherkisten gewöhnt.
    »Aber … Entschuldige …«
    »Sag nur.«
    »Hast du denn eine Wohnung?«
    »Natürlich. Ich wohne zwar seit undenklichen Zeiten nicht mehr dort, aber ich habe eine kleine Wohnung in Barceloneta. Und jetzt habe ich sie neu streichen lassen.«
    »Lola Xica.«
    »Was?«
    »Versteh mich nicht falsch, aber ich … Ich würde dir gerne etwas schenken. Zum Dank.«
    »Ich habe jeden einzelnen Tag in diesem Haus bezahlt bekommen.«
    »Das meine ich nicht. Ich meine …«
    »Dann müssen wir nicht weiter darüber reden.«
    Lola nahm mich am Arm und führte mich ins Esszimmer; sie zeigte auf die Wand, die ohne den Modest Urgell nackt wirkte.
    »Deine Mutter hat mir ein Geschenk gemacht, das ich nicht verdient habe.«
    »Was kann ich noch für dich …«
    »Du könntest die Bücher einräumen – das ist doch kein Leben.«
    »Sag schon, Lola Xica. Was kann ich noch für dich tun?«
    »Du kannst mich in Ruhe gehen lassen; im Ernst.«
    Als ich sie umarmte, wurde mir klar … es ist wirklich schlimm, Sara, aber ich glaube, ich habe Lola Xica mehr geliebt als meine Mutter.
    Lola Xica zog aus; die Straßenbahnen fuhren nicht mehr kreischend

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