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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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möchte ich kennenlernen.«
    Ullastres sah auf die Besitzurkunde. »Saverio Falegnami, da steht es doch.«
    »Die, denen sie vor diesem Herrn gehört hatte.«
    »Darf ich fragen, warum Sie Kontakt zu ihnen aufnehmen möchten?«
    »Das weiß ich selbst nicht. Für mich hat diese Geige schon immer zur Familie gehört. Ihre Herkunft hat mich nie gekümmert. Aber jetzt …«
    »Haben Sie Zweifel an ihrer Echtheit?«
    »Ja«, behauptete ich.
    »Falls es Sie beruhigt, würde ich die Hand dafür ins Feuer legen, dass dies ein Instrument aus der Glanzzeit Lorenzo Storionis ist. Und nicht wegen des Zertifikats, sondern weil ich es sehe, höre und fühle.«
    »Es soll die erste Geige sein, die er je gebaut hat.«
    »Die ersten zwanzig Storionis sind die besten. Angeblich liegt das an dem Holz, das er dafür verwendet hat.«
    »Am Holz?«
    »Ja, es war außergewöhnlich.«
    »Warum?«
    Doch der Geigenbauer streichelte meine Geige und gab keine Antwort. Seine Liebkosungen machten mich fast eifersüchtig. Dann sah er mich an.
    »Was genau haben Sie vor? Warum sind Sie wirklich hier?«
    Es ist schwierig, Nachforschungen anzustellen, aber denen, die einem helfen können, nicht die ganze Wahrheit zu sagen.
    »Ich würde gern ihren Stammbaum zeichnen, mit allen ihren Besitzern von Anfang an.«
    »Eine schöne Idee … Aber das kann teuer werden.«
    Ich brachte es nicht über mich, ihm zu sagen, dass ich wissen wollte, ob der Name Alpaerts eine Erfindung von Senyor Berenguer und Tito war. Oder ob der Name Netje de Boeck, den mir mein Vater genannt hatte, stimmte. Oder ob vielleicht keiner der beiden Namen der richtige war und die Geige schon immer mir gehört hatte. Denn über eines war ich mir im Klaren: Sollte es vor dem Nazi einen rechtmäßigen Besitzer gegeben haben, würde mir nichts anderes übrigbleiben, als ihn auf Knien anzuflehen, die Geige für den Rest meines Lebens behalten zu dürfen. Allein bei dem Gedanken, Vial könnte für immer mein Haus verlassen, geriet ich außer mir. Das musste ich mit allen Mitteln verhindern.
    »Haben Sie gehört, Senyor Ardèvol? Sehr teuer.«
    Jedenfall war Vial echt, falls ich je daran gezweifelt haben sollte. Vielleicht war ich nur deshalb zu Ullastres gegangen. Um es mich selbst aussprechen zu hören, um mir zu versichern, dass ich mit Sara wegen eines kostbaren Instruments zerstritten war und nicht wegen ein paar wertloser Bretter in Geigenform. Nein, im Grunde wusste ich nicht, was ich bei ihm wollte. Doch ich glaube, nach diesem Besuch bei Ullastres begann ich über die Qualität des Holzes und Jachiam Mureda nachzudenken.
    Zum Mittagessen gab es eine fade Grießsuppe. Er würde Bescheid sagen müssen, dachte er, dass ihm die Grießsuppe, wie man sie hier bekam, nicht schmeckte … was für eine scheußliche Grießsuppe. Aber so einfach war das alles nicht, und womöglich wurden ja seine Augen schlechter, denn das Lesen bereitete ihm immer mehr Mühe. Und sich Dinge zu merken. Die bbeschissene Zimmerdecke. Die Dinge festzuhalten. Festzuhalten.
    »Na, Goldstück, hast du gar keinen Hunger?«
    »Nein, ich will lesen.«
    »Dir sollte man Buchstabensuppe servieren.«
    »Ja.«
    »Komm, iss ein bisschen.«
    »Lola Xica.«
    »Wilson.«
    »Wilson.«
    »Was willst du, Goldstück?«
    »Warum fällt mir das Denken so schwer?«
    »Du musst essen und dich ausruhen. Du hast genug gearbeitet.«
    Wilson flößte ihm fünf Löffel Grießsuppe ein, was er für Adrià als ausreichendes Mittagessen erachtete.
    »Jetzt kannst du lesen.« Sein Blick fiel auf den Boden. »Oje, was haben wir denn da für eine Sauerei gemacht, überall Grieß«, sagte er. »Wenn du ein Mittagsschläfchen halten möchtest, sag Bescheid, und ich bringe dich zu Bett.«
    Gehorsam las Adrià nicht mehr allzu lange. Stockend, mit offenem Mund, las er Jordi Cornudellas Interpretationen der Gedichte von Josep Carner. Doch schon bald, ich weiß nicht, was mit mir los ist, Lola Xica, verlor er die Lust, weil er vor sich auf dem Tisch Carner mit Horaz verwechselte. Er setzte die Brille ab und strich sich mit der flachen Hand über die müden Augen. Sollte er auf seinem Stuhl oder im Bett schlafen?, ich glaube, das hat man mir nicht richtig erklärt, dachte er. Oder war es das Fenster?
    »Adrià.«
    Bernat war ins Zimmer cinquantaquattro getreten und sah seinen Freund an.
    »Wo soll ich schlafen?«
    »Bist du denn müde?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Wer bin ich?«
    »Lola Xica.«
    Bernat küsste ihn auf die Stirn und blickte sich im Zimmer

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