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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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des Mädchens anzusehen. Und die Lippen der Kleinen zeigten zwar schon die dunkle Färbung des Todes, doch ihre Eltern störten sich nicht daran. Sie alle waren jung mit Ausnahme von Matthias, der war alt, triefäugig und schwerfällig. Mir schien, als beäugten ihn die anderen misstrauisch, als fiele es ihnen schwer, zu akzeptieren und zu verzeihen, dass der Vater so alt geworden war. Vor allem die wackere Berta, deren Blick gelegentlich an den Gertruds erinnerte; oder nein, er war doch ein wenig anders. Wir erreichten die Station Camp de l’Arpa, wo Félix Morlin und mein Vater zustiegen, die angeregt miteinander plauderten. Ich hatte meinen Vater seit vielen Jahren nicht gesehen und konnte sein Gesicht kaum erkennen, aber ich weiß, dass er es war. Hinter ihm saßen Sheriff Carson und sein treuer Freund Schwarzer Adler, beide sehr schweigsam, und schauten angestrengt an mir vorbei. Ich hatte den Eindruck, Carson war drauf und dran, auf den Boden zu spucken, was der tapfere Arapaho-Häuptling jedoch mit einer schroffen Geste unterband. Die Bahnhielt lange, mit offenen Türen, ich weiß nicht, aus welchem Grund, und so hatten Senyor Berenguer und Tito, die, Arm in Arm, wie mir schien, flotten Schrittes den Bahnsteig entlangeilten, noch Zeit zuzusteigen, wie auch Lothar Grübbe, der einen Augenblick zögerte, als er den Fuß in den Waggon setzte, doch meine Mutter und Lola Xica, die hinter ihm her kamen, schubsten ihn hinein. Und als sich soeben die Türen schließen wollten, kam Ali Bahr angerannt und zwängte sich noch hinein, allein, ohne die sittenlose Amani. Die Türen schlossen sich endgültig, der Zug setzte sich in Bewegung, und nach etwa dreißig Sekunden im Tunnel in Richtung Sagrera baute sich Ali Bahr mitten im Waggon auf und schrie wie ein Berserker, weg mit diesem ganzen Aas, im Namen des Barmherzigen! Er öffnete seine Jelaba, brüllte Allah Akbar! und zog an einem Schnürchen, das aus den Falten seiner Kleidung hing, und alles wurde strahlend weiß, und keiner von uns sah mehr die riesige Rauchwolke, die …
    Jemand rüttelte ihn. Er schlug die Augen auf. Es war Caterina, die sich über ihn beugte.
    »Adrià, hören Sie mich?«
    Er brauchte ein paar Sekunden, um sich zu orientieren, denn im Traum war er weit weg gewesen. Sie beharrte:
    »Hören Sie mich, Adrià?«
    »Ja, was ist?«
    Statt zu sagen, das Krankenhaus ist am Telefon, oder da ist ein Anruf vom Krankenhaus, es ist dringend, oder, besser noch, ihn ans Telefon zu holen und bügeln zu gehen, was immer eine ausgezeichnete Entschuldigung war, wiederholte Caterina, die sich stets gern in den Mittelpunkt rückte, Adrià, hören Sie mich, und ich, ja, was ist, und sie, Sara ist aufgewacht.
    Ich war schlagartig hellwach, und statt zu denken, sie ist aufgewacht, sie ist aufgewacht, dachte ich nur, und ich war nicht bei ihr, und ich war nicht bei ihr. Adrià sprang aus dem Bett, ohne sich darum zu kümmern, dass er splitternackt war, und Caterina warf einen kritischen Seitenblick auf seinen zudicken Bauch, sparte sich ihren Kommentar aber für einen anderen Moment auf.
    »Wo?«, fragte ich verstört.
    »Am Telefon.«
    Adrià nahm das Gespräch im Arbeitszimmer entgegen; es war Frau Doktor Real persönlich, die ihm mitteilte, Sara habe die Augen geöffnet und angefangen zu sprechen.
    »In welcher Sprache?«
    »Wie bitte?«
    »Versteht man sie?« Und ohne eine Antwort abzuwarten: »Ich komme sofort.«
    »Wir müssen uns unterhalten, bevor Sie sie sehen.«
    »Gut. Ich bin gleich da.«
    Hätte Caterina mir nicht in voller Breite die Tür versperrt, wäre ich nackt zum Krankenhaus gerannt, denn ich war mir meines denkwürdigen Anblicks gar nicht bewusst, so überwältigt war ich vor Freude. Adrià weinte unter der Dusche, weinte und lachte, während er sich ankleidete, und fuhr lachend zum Krankenhaus, und Caterina schloss die Wohnung ab, nachdem sie mit der Wäsche fertig war, und sagte sich, dieser Mann weint, wenn er weinen sollte, und lacht, wenn er weinen sollte.
    Die dürre Ärztin mit dem faltigen Gesicht führte ihn in eine Art Sprechzimmer.
    »Was ist, ich will ihr hallo sagen.«
    »Einen Moment, Senyor Ardèvol.«
    Sie bat ihn, Platz zu nehmen, setzte sich auf ihren Stuhl und sah ihn schweigend an.
    »Was ist denn los?«, fragte Adrià beunruhigt. »Es geht ihr doch gut, oder?«
    Und dann sagte die Ärztin das, was er so sehr fürchtete; sie sagte, ich weiß nicht, ob Sie gläubig sind, aber hier ist ein Wunder geschehen; der Herr hat Ihre

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