Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
ihr Mann brauchte ihr aufgedunsenes Gesicht nicht zu sehen. Sollte sie die zerknüllten Papiertücher aufheben? Ach was, zum Teufel damit. Sie drehte sich zu Kieran um. Er war schließlich ihr Mann, er würde sich nicht an ihren geröteten und verquollenen Augen stören. »Kann ich noch was tun? Gibt’s noch was zu schneiden oder zu hacken? Nur her damit.«
Kieran schob ihr die Schüssel hin. »Alles ist drin. Hast du saubere Hände?«
Kitty hielt die Hände hoch. Kieran beäugte sie kritisch. »Vermenge alles und knete das Ganze gut durch. Dann kannst du dich an die Äpfel machen. Ich muss mich um die Kühe kümmern.«
»Wir kommen auch ohne Apple Brown Betty aus. Ich wollte ihn nur zum Nachtisch haben«, sagte Kitty ruhig. »Ich komme mit und helfe dir bei den Kühen.«
Kieran nickte, ließ einen Augenblick verstreichen und meinte: »Brid werden sie fehlen, wenn wir sie zu meinem Bruder auf den Hof schaffen.«
Kitty überlegte und nickte dann gleichfalls. »Und Taddy wird das Schwein fehlen, wenn es verspeist und für immer verschwunden ist.«
Kieran heftete seinen Blick auf die Wand zu seiner Rechten, betrachtete besonders intensiv die raue Oberflächeunmittelbar über seinem Kopf. »Das Schwein nehmen wir mit. Wir werden ein anderes verspeisen. Wenn Taddy will, kann er es ja ab und an besuchen, falls man ihm das gestattet.«
Kitty hing dem Gedanken kurz nach. »Und Brid die Kühe.«
Zwei der Schweine in dem Separatverschlag wühlten mit dem Rüssel nach irgendetwas Fressbarem, das sie über die Trennung von der großen Herde hinwegtrösten könnte. Das dritte stand einfach da. Aaron, Kitty und Kieran beobachteten sie von jenseits der Umzäunung, wollten mit gewissem Abstand vor allem beurteilen, welches Tier am ehesten schlachtreif war. Andere es irgendwie sympathisch machende Qualitäten, die ein Schwein eventuell noch haben könnte, sollten keine Rolle spielen. Es war schwer, eine Wahl zu treffen, denn jedes ähnelte einer riesigen Wurst, die so straff gestopft war, dass sie zu platzen drohte.
»Ich bin für das da.« Kitty zeigte auf das Schwein, das nicht nach weiterem Futter suchte.
»Was ist mit dem da drüben?« Kierans Wahl fiel auf einen von den Schnüfflern, der jetzt den Kopf hob und die Ohren zurücklegte.
Dann war Aaron dran. Um die Reihenfolge zu wahren, entschied er sich für dasjenige, das noch übrig war, vielleicht wollte er auch nur dessen Gefühle nicht verletzen. »Seht mal, was das für prächtige Schinken hat«. Was Besseres fiel ihm nicht ein, um seine Wahl zu verteidigen. Nur wirklich überzeugend war das nicht, denn beneidenswerte Hinterbacken hatten alle drei Schweine.
Jeder der drei begutachtete schweigend das von ihm gewählte Exemplar, ließ die Konkurrenten unbeachtet und grübelte, mit welchen Vorzügen er am ehesten seine Wahl begründen könnte, ohne dass sein Vorschlag sofortzurückgewiesen wurde. Um die drohende Pattsituation zu vollenden, fehlte nur noch das Auftreten eines boshaften Gottes, der einen überreifen Apfel mit der Aufschrift »dem Schmackhaftesten« in den Pferch warf.
Lolly betrat die Szene, sie hatte die Suche nach Metaphern aufgegeben und wollte nun auch ihre Meinung äußern. Sie schob die Ärmel ihres schwarzen Baumwollsweaters mit Rollkragen bis über die Ellenbogen hoch. (Als Schriftstellerin trug sie jetzt fast ausschließlich Schwarz.)
»Sind das die Ersten, die ihr ausgesondert habt? Da hat jemand einen scharfen Blick gehabt. Wollen mal sehen, was sich unter den anderen finden lässt.«
»Die hier haben wir in die engere Wahl gezogen«, erklärte Kitty. »Wir sind gerade dabei, uns für eins zu entscheiden.«
»Oha!«
»Die hier scheinen mir alle sehr geeignet.« Aaron kniff die Augen zusammen als Zeichen, wie genau er die Musterung nahm.
»Ein Schwein ist so gut wie das andere«, stellte Kitty fest. Sie zeigte wieder auf das von ihr bevorzugte. » Warum nehmen wir nicht einfach das da und vergessen den Rest?«
Ohne auf das Thema einzugehen, das eben zur Debatte stand, lenkte Lolly, die Schriftstellerin, das Gespräch auf für sie wesentlichere Dinge. »Ich brauche deine Hilfe«, sagte sie zu Kitty. »Nein, nicht deine Hilfe, nur deinen Rat. Eigentlich wollte ich mit dir erst darüber reden, wenn ich fertig bin. Mein Roman handelt von einem ganz bestimmten Paar – er ist sehr hübsch, sie ist wirklich umwerfend –, die beiden heiraten, und – kannst du dir das vorstellen? – sie ziehen in die Burg hier.«
Kitty erstarrte.
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