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Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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musste.
    Doch sie kam nicht dazu, ihre Unaufrichtigkeiten von sich zu geben, denn Kieran sagte: »Wie man die Burg in die Luft sprengt? Schreib doch, die Frau gräbt in ihrem Garten …«
    »Nicht schon wieder ein Skelett!«, rief Aaron entsetzt dazwischen.
    »Nein, kein Skelett«, sagte Kitty. » Das ist schon zu Tode geritten worden, gewissermaßen.«
    Kieran ließ sich nicht beirren. »Die Frau gräbt ihre Beete um, und ihr Spaten stößt auf eine Metallkiste. Da drin ist …«
    »Klingt schrecklich an den Haaren herbeigezogen«, ereiferte sich Lolly, ehe Kieran weiterreden konnte. »Ein bisschen zu gekünstelt. Findest du nicht auch?«
    »Na, schön«, sagte Kieran, »dann eben ein Tier – meinetwegen auch ein Schwein – ein Schwein buddelt etwas aus …«
    »Wer soll denn so was glauben?«, spottete Lolly.
    »Du musst den Leser dazu bringen, es zu glauben, indem du es selbst glaubst.« Kitty presste die Lippen zusammen und bekam sie gerade noch auseinander, um hinzuzufügen: »Und wenn du es nicht glauben kannst, dann schreibe es nicht. Glaubst du an ›Die drei kleinen Schweinchen‹? Nein? Ich jedenfalls glaube daran. Weil der Autor daran geglaubt hat.«
    »Ich? Ich soll
glauben
, was ich schreibe?«
    »Lolly, entweder du bist eine Schriftstellerin oder du bist keine.«
    »Aber ich
bin
eine Schriftstellerin. Ich bin auf Seite fünfhundertzweiundachtzig.«
    Kieran platzte heraus: »Das Schießpulver ist mit den Steinplatten der Großen Halle in der Burg eingelagert.«
    »Oh, das gefällt mir.« Lolly schaute sinnend vor sich hin, wie um sich zu vergewissern, ob sie glauben sollte, was sie eben gesagt hatte.
    Kitty fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Liebling«, sagte sie zu Kieran und benutzte ein Wort, das bislang in ihrem ehelichen Wortschatz nicht vorgekommen war, »ich meine, wir sollten Lolly ihren Roman allein schreiben lassen. Schließlich ist sie eine Schriftstellerin. Sie ist schon auf Seite fünfhundertzweiundachtzig. Wie wir alle wissen, denkt sich ein Schriftsteller, der diesen Namen verdient, seine Sachen selbst aus.«
    »Ist das wahr?«, fragte Lolly.
    »Das ist so wahr wie jedes Wort, das ich bisher gesagt habe.« (Nicht umsonst war Kitty bei den Jesuiten in die Schule gegangen.)
    »Ich muss also alles allein machen, ohne jede Hilfe?« Lollys Ton war fast kläglich; sie duckte sich ein wenig, hoffte vielleicht, dem Schlag zu entgehen, der sie jeden Moment treffen könnte.
    Kitty spürte, es war an der Zeit, salbungsvoll zu werden. »Gewiss hast du davon gehört, wie einsam ein Schriftsteller ist bei seinem Werk, und demzufolge …« Mehr sagte sie nicht. Sie wollte die ganze Widersinnigkeit, die Sentimentalität dessen, was sie eben angeführt hatte, voll auskosten, das Selbstmitleid, das damit einhergehende, nur zu auffällige Sich-selbst-Dramatisieren.
    Schreiben brachte sie stets in Bedrängnis, all die verschiedenen Gestalten, die sich auf sie warfen, wie abgestochene oder noch nicht abgestochene Schweine quiekten und ihren gehörigen Anteil an dem Plot verlangten, den Kitty ersann.
    Hinzu kamen da all die Ideen, all die Handlungsmöglichkeiten, die sich auftaten und bewertet werden wollten, einigen musste man stärker nachgeben, anderen weniger, der Kleinkrieg untereinander war hart und rücksichtslos, und Kitty war der oberste Schiedsrichter. Früher oder später wurde ihr eine Unfehlbarkeit auferlegt, die selbst die Bestrebungen eines höchst fehlgeleiteten Papstes übertraf, sie musste Entscheidungen treffen, Urteile über Leben und Tod vollstrecken, und wenn schließlich alles vollbracht war, wenn all die sich befehdenden Gestaltungselemente nach bestem Wissen und Gewissen abgehandelt waren und die letzte Seite geschrieben war, dann stellte sich wieder die wahre Einsamkeit ein. Ihr enger und getreuer Gefährte, das Buch, ließ sie allein zurück. Der einzige Kollege, der sie überallhin begleitet hatte, der zu jeder Tages- oder Nachtzeit zum Zwiegespräch mit ihr bereit war –, er war entschwunden. So lange, bis eine sich anrempelnde und sich stoßende Schar schwankender Gestalten erneut in ihre Vorstellungswelt drängte, war sie den Verlustgefühlen ausgeliefert, mit denen man einem wahren und sehr intimen Freund nachtrauert, dem sie ihr ausgefülltes Leben zu verdanken hatte, das nur einem Schriftsteller gegebenist. Qualvoll mochte das Schreiben wohl sein, einen zur Verzweiflung bringen, einen krankmachen und jammern lassen, aber machte es sie
einsam
? Nein. Nie und

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