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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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seit sie verheiratet sind. Kommen Sie am besten kurz vor Sonnenuntergang, die Türen stehen dann offen. Gehen Sie hinein und suchen sich eine geeignete Ecke, in der Sie sich verstecken können – ein unbenutztes Gelass zwischen dem Bad und dem Schlafzimmer des Hausherrn …«
    Bei dem Mann musste eine Schraube locker sein, vielleicht infolge des Gefängnisaufenthalts oder, was wahrscheinlicher war, weil er sein Leben lang von einem Wahn besessen war, der sich nicht länger bezähmen ließ, dachte sich Declan und begann, ein mögliches Versteck nach dem anderen vorzuschlagen. Das von Seiner Lordschaft ins Auge gefasste Datum hätte nicht passender sein können, denn an dem Tag wollten die »unbefugten Eindringlinge« ihre Kühe an einen Ort hinter Blarney schaffen, von dem aus Kitty ihren Lehrauftrag in Cork wahrzunehmen gedachte. Bei Sonnenuntergang würden sie bereits unterwegs sein.
    »Ah, ja. Das Schlafzimmer«, sagte der Lord und rieb sich mit unverhohlener Schadenfreude die Hände. »Das ist der ideale Ort für meine brillante Vorstellung. Nur werde ich da ziemlich lange warten müssen …«
    »Nein, nein. Da haben Sie wiederum Glück. Nach dem Melken der Kühe, das beide in kürzester Zeit gemeinsam erledigen, begeben sie sich erst einmal ins Schlafgemach – aber nicht, wie ich vermute, um zu schlafen …«
    »Sagen Sie nichts weiter. Die Götter schauen voller Wohlgefallen herab. Das ist absolut perfekt. Ich trete auf. Die Kerze flackert. Geisterhafte Schatten huschen über die Wände und ich … und ich …«
    Von seiner Vorstellung überwältigt, konnte er nicht weiterreden.
    Declan ließ dem Mann Zeit, sich zu sammeln, und meinte lediglich: »Also dann Samstag in einer Woche. Wenn es Ihnen beliebt.«
    »Ob es mir beliebt, ist keine Frage. Ich möchte viel eher zu Werke gehen, doch, wie Sie sich vorstellen können, bin ich in London sehr gefragt und möchte die Herrschaften dort nicht enttäuschen. Samstag in einer Woche ist exzellent. Exzellent. Abgemacht, Tovey?«
    »Ich werde alles tun, was ich kann.«
    »Besser kann es gar nicht laufen, was, Tovey?« Seine Lordschaft geruhte zu lachen.
    Declan ließ mit einer Antwort nicht warten: »Samstag nächste Woche also. Stets zu Diensten. Habe die Ehre.«
    Wieder brach sich so etwas wie ein Lacher Bahn, dieses Mal mehr aus des Lords vornehmer Nase als aus seinem hochmütigen Mund. »Und wenn Sie mich erblicken, so gewandet, wie ich dann bin, müssen Sie nicht glauben, einen Geist zu sehen. Ihrer guten Dienste wegen bleibt Ihnen das abgrundtiefe Erschrecken erspart. Ich werde durchaus der sein, der ich stets bin, darauf vorbereitet, letztendlich das zu empfangen, worauf ich von Rechts wegen Anspruch habe.«
    »So soll es sein.« Declan verbeugte sich leicht, wie es die Situation verlangte, und damit war die Unterredung beendet.
     
    Die letzte Anprobe verlief zur Zufriedenheit. Für den langen Oberrock, das Justaucorps, hatte man weinfarbenen Samt gewählt. Eine aufdringlichere Farbe war wohl auch erwogen worden, doch der Schneider vertrat die Ansicht, dieser Oberrock sollte nicht mit den Herrlichkeiten konkurrieren, die die langeWeste zur Schau stellte. Sie wurde nur in Hüfthöhe geknöpft und brachte so ein Spitzenjabot mehr zur Geltung, das am Kragen des Seidenhemds befestigt war. Die Weste war aus herrlichem, mit Purpur- und Goldfäden durchwirktem Brokat, dem aufwendige Stickereien, wie man sie seit der hier nachgeahmten Mode nicht mehr gesehen hatte, zu zusätzlichem Glanz verhalfen. Schnitt und Formgebung waren des Schneiders eigene Erfindung, der damit einen Höhepunkt seines langjährigen, einzigartigen Schaffens erreichte, auf dass jeder, dem ein so großartiges Wunderwerk vor Augen kam, sogleich spürte, er befände sich in Gegenwart eines Individuums, das zu erblicken er keinesfalls würdig war.
    Die Manschetten, die aus dem Ärmeln des Oberrocks hervorschauten, waren weniger aufsehenerregend, jedoch reichlich mit Spitze besetzt, die ihnen eine gewisse Distinktion verlieh. Sie konnten den Wettstreit mit dem Jabot aufnehmen, wer von beiden dekorativer wirkte. (Das Jabot siegte, doch die Manschetten belegten dicht dahinter einen ehrenvollen zweiten Platz.)
    Der Oberrock war natürlich von der Hüfte an ausgestellt, und die Vorderfront wies Knöpfe auf, die den erwünschten Eindruck des Extravaganten verstärkten. Die knielangen Hosen waren recht einfach gehalten (sollten ja nicht ablenken), und die weißen Strümpfe spielten in der Gesamtpracht eine

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