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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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fragte sich, ob es zu kühn wäre, die Hand auszustrecken und sich per Handschlag zu verabschieden. Mr Tovey hatte sich abgewandt, als ahnte er so etwas, wollte vielleicht jedes Zeichen einer Vertrautheit vermeiden. Er ging zu dem großen Stein, der die Einfahrt in den Hof markierte, setzte sich und zerrte den rechten Stiefel von seinem Fuß. Er wackelte mit dem großen Zeh, der sich durch die dicke Wollsocke ein Loch gebohrt hatte und geradezu vorwitzig herausschaute. Declan tastete das Innere des Stiefels ab, offensichtlich hatte sich ein Steinchen dort eingenistet, und das sollte nun zurück zu seinen Gefährten auf die Straße.
    Peter beobachtete den Meister, wie er in dem Schuh herumfingerte, schließlich den Störenfried fand und ans Tageslicht beförderte. Kein Wunder, dass das seine Zeit gebraucht hatte, flach, wie der Stein war und kaum größer als der hervorlugende Zehnagel. Mr Tovey legte ihn neben sich ab. Peter wollte schon fragen, ob er ihn haben könnte, denn von der Form her war er bestens geeignet, ihn am See hinter dem nächstgelegenen Tal über das Wasser springen zu lassen.
    Mit einem zufriedenen Grunzen zog der Meister den Stiefel wieder an, nahm den Stein in die Hand und stand auf. Aus einem unerfindlichen Grund rieb er ihn an seiner Jacke hin und her. Für einen kurzen Moment nur sah Peter das Sonnenlicht auf ihm funkeln. Dann hielt der Meister ihm das schöne Stück hin.
    Peter zuckte zurück. Wie konnte Mr Tovey ahnen, dass er den Stein gerne haben wollte? Der Meister rieb ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. Nie zuvor war Peter aufgefallen, wie rau Declan Toveys Hand war und wie kräftig die Finger. Jetzt hörte der Mann mit der spielerischen Bewegung auf und hielt ihm wieder den Stein hin. »Das ist für dich.«
    »Für mich?« Er versuchte, nicht so aufgeregt zu klingen, aber das misslang.
    »Habe ich doch eben gesagt. Nun nimm schon.«
    »Darf ich wirklich?«
    Declan drückte Peter den Stein in die Hand. »Natürlich darfst du.«
    Dabei war er so grob wie damals, als Peter das erste Mal gekommen war und ihn gebeten hatte, ihm bei der Arbeit zusehen zu dürfen, weil er doch so gerne selbst einmal Dachdecker werden wollte. »Und du brauchst auch nicht ›danke‹ zu sagen«, fügte Declan hinzu. »Einfach nur nehmen und behalten.«
    Peter blickte auf seine Hand. Auch er begann jetzt langsam den Stein zu reiben und erstarrte vor Schreck. »Das ist ja gar kein Stein«, sagte er völlig verwirrt. »Das ist eine Münze. Das ist ja Geld.«
    »Und du wirst sie schön behalten. Und vielleicht gibst du sie später einmal einem Lehrjungen, den du als Meister das Dachdecken lehrst – oder deinem Sohn, den du vielleicht einmal haben wirst.«
    »Sie … sie gehört jetzt mir?«
    »Sie gehört dir.«
    »Ich kann doch aber nicht …«
    »Du kannst. Es ist deine.«
    Peter strich erneut sacht über die Münze und besah sie sich genau. »1785.« Er schaute auf. »Das ist ganz schön lange her«, meinte er leise.
    »Sie war seit langem in meiner Familie, ging immer vom Vater auf den Sohn.«
    »Aber dann dürfen Sie doch nicht …«
    »Doch, doch. Bald wird sie kein Tovey mehr brauchen.«
    »Aber … aber … es ist doch Geld.«
    »Mit dem man ein furchtbares Unrecht wiedergutmachen wollte. Nicht lange, und das Unrecht wird ein und für allemal wiedergutgemacht, und die Geschichte hat ein Ende. Die Münze wird mich nicht länger an sie erinnern müssen. Die leidige Sache hat bald ein Ende, sogar ein glückliches Ende. Und dann brauche ich die Münze nicht mehr.« Er blickte in Richtung Westen, weit in die Ferne, und seine Stimme klang plötzlich sehr weich. »Ichhätte sie schon früher weggeben sollen. Jemandem, der wie du einmal …« Er hielt inne und drehte sich jäh um, als wollte er sich mit Macht von der ihn schmerzenden Erinnerung losreißen. Er fand zu seinem herben Ton zurück. »Schluss jetzt. Nimm sie einfach und gut ist’s.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
    »Ist auch nicht nötig. Du wirst sie nehmen …«
    »Ich … ich … ich …«
    »Es bleibt dabei.«
    Declan schwang sich in die Fahrerkabine, schob den Beutel zur Seite und schlug die Tür zu. Es war nicht zu überhören. Der Motor sprang an, Declan wendete und streifte dabei fast Peters Fahrrad. Der Lieferwagen schepperte davon. Peter rannte laut rufend hinterher. »Aber … aber … aber …«
    Umsonst. Der Wagen war fort.
    Er starrte auf die Münze in der geöffneten Hand. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sie in die Tasche zu

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