Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
gehe nach Ballysheen. Die Pferde. Mein Dad. Meine Mutter, hat sie es Ihnen erzählt? Ich … ich … ich …« Er griff sich das Fahrrad und stieg auf.
»Ist Declan schon fort?«
»Ja.«
»Schon ganz fort für heute?«
»Ja. Hat Schluss gemacht für heute.«
»Und dabei habe ich was für ihn. Na gut, dann eben ein anderes Mal.«
»Ja. Ein anderes Mal.« Er hielt den Lenker fest in den Händen. »Also leben Sie wohl. Auch Mr Tovey … Ballysheen … Leben Sie wohl, Mrs Mc … Mrs Sweeney …« Er hob eine Hand und winkte ihr zu und verlor dabei fast die Balance. Das Vorderradwackelte gefährlich hin und her, doch er bekam die Sache in den Griff und jagte davon.
Kitty schaute ihm nach. Sein Verhalten erschien ihr merkwürdig. Dann galt ihr Interesse dem Hof, denn insgeheim hoffte sie, Declan doch noch irgendwo zu finden. Zu ihrer Enttäuschung war das nicht der Fall. Sie hatte etwas, das sie ihm gern gegeben hätte. Sie war sich nicht einmal sicher, ob er es annehmen oder ablehnen würde. Es war Michaels Fingerknöchelchen. Sie hatten es damals für ein Knöchelchen von Declans Skelett gehalten, das sie auf der Treppe des Geheimgangs versteckt hatten, über die seinerzeit Priester vor den Häschern der Krone die Flucht ergriffen hatten. Die himmlischen Mächte wollten es, dass zwei Mitglieder der
gardaí,
Tom und Jim, auf der Suche nach einem entflohenen Häftling per Zufall den Geheimgang entdeckten. Wie um des Himmels Vorsehung ein weiteres Mal in Frage zu stellen, fand Tom das Fingerknöchelchen, das an dem Skelett schon vermisst worden war. Nicht ganz ohne Grund war er sofort davon überzeugt, dass es die heilige Reliquie eines gemarterten Jesuiten war, und hing es an den Rückspiegel des Polizeiautos, das er zusammen mit Jim fuhr. Es würde sie vor Bösem schützen und vor Unheil bewahren.
Kitty hatte es dann in einem unbewachten Augenblick aus dem Auto gestohlen. Tom, völlig entsetzt über den Diebstahl, hatte die Tat sogleich als Sakrileg verdammt. Er beschwor die Dorfbewohner, es zurückzugeben. Als der Übeltäter sich trotz seines Lamentierens nicht reumütig zeigte, wandte er sich an den Priester des Ortes. Ganz bestimmt würde Pater Colavin Verständnis für sein Elend haben und es sich zur Aufgabe machen, die Rückgabe des Fingerknöchelchens zu erwirken. Blitz und Donner würde es von der Kanzel hageln. Drohungen wie Kirchenbann und Exkommunikation.
Pater Colavin hatte ihm geduldig zugehört und ließ Garda Tom jammern, bis er total erschöpft war. Zur Wiederbelebung verabreichte er ihm einen kräftigen Schuss Jameson und versprach zu tun, was in seinen Kräften stand. Die Zusicherungkam aus ehrlichem Herzen, wusste er doch von vornherein, dass wenig oder gar nichts getan werden konnte. Während Tom den Whiskey runterspülte, riet ihm der gute Priester, inbrünstig zu beten, auf dass das Fingerknöchelchen Gottes Gnade erwirke, der Übeltäter Reue empfände und die heilige Reliquie zurückgäbe. Das stand, wie Tom gestehen musste, im Gegensatz zu dem Fluch, den er bereits erfleht hatte, aber er wollte es dennoch versuchen – ein Versprechen, das er nur zaghaft gab und erst, als ein zweiter Schluck Jameson durch seine Kehle geflossen war.
Kitty hatte Tom nicht die Quelle seines Heils und Segens rauben wollen, sie hatte das Knöchelchen an sich genommen, um Declan mit diesem winzigen Überbleibsel seines Lehrjungen zu beglücken. Eine sentimentale Geste, fürwahr, aber der Mann suchte ganz offensichtlich verzweifelt nach irgendeinem Andenken, um in seinem Kummer nicht gänzlich allein zu sein. Wie er reagieren würde, was er tun würde, stand offen, und Kitty unterließ es, sich irgendwelchen Spekulationen hinzugeben.
Declan war erstmal gegangen, aber er würde ja morgen wiederkommen. Die Übergabe musste eben bis morgen warten. Sie beschloss, in den Garten zu gehen und nach einem geeigneten Gemüse für das Abendessen zu schauen. Auf dem Weg dorthin kam sie an der Stelle vorbei, an der Peter seinen Schuh sauber gemacht hatte. Amüsiert schüttelte sie den Kopf. In was mochte er getreten sein? Kuhfladen waren nirgends zu sehen. Und Sly, der Hund, war den ganzen Tag mit den Kühen draußen irgendwo an einem der Abhänge des Crohan. Hühner oder Gänse hatten sie nicht. Das Schwein war fort. Weder ein Fuchs noch ein Wolf waren dagewesen. Warum sollte Peter gelogen haben? Und doch hatte er es offensichtlich getan. Sie unterließ weitere Mutmaßungen und begann, mit der Schuhspitze die Erde zur
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