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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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Ich gehe einfach weiter.
    Kassian hängt seinen Arm aus dem Fenster und fährt langsam schweigend neben mir her. Ich habe mich nie gefragt, ob ich ihn jemals wieder sehen werde. Als Erinnerung war das, was passiert war, ganz in Ordnung, nun ist es mir aber peinlich. Er fährt plötzlich vor mir auf den Bürgersteig, steigt aus, hält mich am Arm fest und nimmt die Sonnenbrille ab. Auf seinem schmalen Nasenrücken hat er einen roten Abdruck.
    »Soll ich dich mitnehmen?« Er lächelt mich schief an und sieht sich um.
    »Nein, danke. Ich wohn gleich hier.«
    »Geht es dir gut?«, fragt er.
    »Ja, sicher. Irgendwie gut zumindest.« Ich merke, dass ich rot werde.
    »Studierst du jetzt?«, fragt er und steckt sich einen Brillenbügel in den Mund.
    »Ich? Ich studier doch nicht!«, erwidere ich und wundere mich über den aggressiven Tonfall. So spreche ich sonst nur mit Familienmitgliedern.
    »Ach so. Ja, warum auch? Was ich dir schon länger einmal sagen wollte … also … Es ist gut, dich zu treffen, weil …«
    »Weil was?«
    »Weil ich … Ich hätte mich bei dir melden sollen. Damals. Ich hatte ein paar Probleme, ich konnte nicht, ich … Wollen wir irgendwo ein bisschen in Ruhe reden oder so?«
    Meine Ohren glühen, ich zucke mit den Schultern.
    Er öffnet die Autotür, und ich steige ein, ohne zu wissen, warum. Er fährt ein Stück und parkt dann in einer ruhigen Seitenstraße.
    »War doch degeneriert diese Schule, immer so viel Gebrüll, die Leute und die Lehrer, alles Schwachköpfe.«
    »Und wenn schon.«
    »Du hast getickt wie ich.«
    »Wie du?«
    »Ja! Du bist anders als die anderen und hast Angst davor. Du wusstest auch, dass wir uns ähnlich sind.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil du mit zu mir nach Hause gekommen bist. Du hast mich verstanden, einfach so. Ich hab mir das vorher schon immer vorgestellt, also das, was wir dann gemacht haben. Genau so.«
    »Ich nicht.«
    »Das weiß ich«, sagt er und legt eine CD ein.
    »Was ist das für Musik?«
    »Jazz, Abdullah Ibrahim, das Stück heißt ›Blues for a Hip King‹«, flüstert er und streicht mir mit dem Finger über die Stirn.
    »Das ist schön, aber es passt nicht zu dir«, sage ich und schiebe seine Hand weg.
    »Ich weiß. Willst du kiffen?«
    »Nein.«
    »Sollen wir uns küssen?«
    »Nein.«
    »Ich bin bald wieder weg, ich studiere in den USA.«
    »Verstehe. Gute Reise.«
    »Ich werd dich nie vergessen.«
    »Kannst du ruhig.«
    Er macht die Musik aus.
    »Ich glaube, du überschätzt mich«, sage ich.
    »Und wenn schon.« Er hält mein Gesicht fest und drückt seine Lippen auf meine. Ich lasse es zu, es ist beinahe schön. Nach ein paar Minuten schiebe ich ihn weg und frage:
    »Was machst du nach dem Studium, wirst du zurückkommen?«
    »Niemals.«
    Er sieht mich verstört an, seine Augen sind hellgrün.
    »Warum niemals?«
    »Willst du denn immer hierbleiben?«, entgegnet er.
    »Ich weiß nicht, ich bin nicht wie du.«
    »Besuch mich, ich zahl den Flug, ich hab eine Wohnung weit oben über der Stadt, da ist niemand außer uns, gib mir deine Nummer oder deine E-Mail. Bitte.«
    »Ich kann hier nicht weg, mach’s gut, Kassian.« Ich öffne die Tür.
    Er zieht mich so fest an sich, dass ich meine Arme nicht mehr bewegen kann. Er kneift in die Haut meines Oberarmes und dreht sie um, sodass es schmerzt. Dann flüstert er mir ins Ohr:
    »Abschied tut weh.«
    Ich schreie auf, befreie mich mit einem Ruck, stoße ihn weg, er lässt sich übertrieben ans Fenster fallen, man hört, wie der Kopf an die Scheibe knallt. Ich steige aus, fange an zu rennen und drehe mich nicht mehr um.
     
    Ich sehe Ramona schon von weitem im Imbiss. Sie sitzt mit Tante Trixi zusammen und trinkt Bier aus einem Plastiksektglas. Reiner ist nirgends zu sehen.
    »Arbeitest du etwa?«, frage ich Ramona.
    »Ja, ich maloch hier, warum auch nicht. Ist ja schließlich mein Restaurant!«
    Tante Trixi haut sich auf die Schenkel: »Restaurant, witzig! Restaurant! Ich hätt dann gern als Vorspeise die schwarznuancierten Kartoffelstreifen del Fett von gestern an Volleipampe, als Hauptgang nehm ich das Brät vom depressiven Schwein ohne Namen, aber aus der Region und mit extra Adrenalinwürze durch lebenskurze Qual an original germanischem Kohl blanc. Und bitte den essigroten Cabernet Gastritis vom Château Tetra! Herrlich! Dafür gibt es drei, nein, dreiunddreißig Sterne, ach was, Planeten!«
    »Kann ja nicht jeder so schischi sein wie du, Beatrix! Es gibt Leute, die müssen für ihr Geld

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