Das Schwein unter den Fischen
arbeiten. Wer hat schon Zeit, den ganzen Tag Faxen zu machen!«, rülpst Ramona, steht auf und sprüht die Vitrine mit Glasreiniger ein.
»Spinnst du, da liegen doch noch Lebensmittel!«, brülle ich sie an.
»Willst du dich hier hinstellen, Stinker? Mit dir hab ich noch ein Hühnchen zu rupfen! Ich könnte Reiner alles sagen, dann sitzt du mit mir in der gleichen Scheiße! Vielen Dank auch, du dreckige feige Egosau!«
»Hääää? Was ’n hier los?«, fragt Tante Trixi.
»NICHTS!«, rufen wir gleichzeitig.
»Ist ja schon gut.« Tante Trixi scheint nicht besonders interessiert. Sie ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um neugierig zu sein. Sie sagt: »Na, was auch immer, ich treff mich jetzt mit Joseph. Ich hab da so eine neue Idee fürs Geldverdienen. Vielleicht steigt er mit ein.«
»Ja, anständige Leute verarschen, das kannst du!«, schreit Ramona, immer noch wild und ziellos auf einer Stelle wischend. Tante Trixi steht auf und stellt sich dicht vor die Vitrine.
»Wieso verarschen? Ich verkaufe Aphrodisiaka! Frauen lieben so einen Scheiß! Was kann ich denn dafür? Und mal ganz ehrlich, Ramona, woher weißt du eigentlich, was anständige Leute sind? Das hätte ich ja gern mal von dir gewusst, also ich hätte Zeit!«
Ramona sprüht mit dem Reiniger in Tante Trixis Richtung.
»Und wie soll dir Dr. Ray dabei helfen? Bei deiner neuen Geschäftsidee?«, frage ich.
»Na, er hat doch hier den Heilpraktikerschein gemacht. Ich beziehe einfach einen Raum in seiner neuen Praxis in der Hafencity – und so können wir meine Mixturen nebenher verticken. Ist so halblegal, der Plan, aber mal unter uns, die Reichen haben doch alle Dreck am Stecken, die darf man verarschen. Ich bitte dich, die zahlen tausend Euro für ein T-Shirt. So blöd muss man erst mal sein.«
Tante Trixi nimmt sich Bockwürstchen aus der Kühltruhe.
»Deinen Ehrgeiz bräuchte die junge Dame hier mal. Na, aber man kriegt ja auch anders eine Arbeit, wenn man nur gefühllos genug ist!«, krakeelt Ramona.
Kurz befürchte ich, sie könnte mich mit dem Sprühreiniger betäuben. Tante Trixi sortiert einen Haufen Zettel und murmelt mit vollem Mund:
»Ja, da ist was dran, Ramönchen, und Frauen tun sich ja leider hantelschwer damit, einfach mal was anzunehmen. Gefühllos ist gut, abgebrüht ist besser, falls man gefühllos überhaupt noch steigern kann. Ich muss los, sonst verpass ich noch Josephs neue Sprechstundenhilfe! Frisch von der Schule, ein heißes blondes Teil.«
Ich umarme Tante Trixi und drücke ihr einen Kuss auf den Mund.
»Du riechst irgendwie nach Wurst. Grüß Joseph, er hat mir übrigens neulich mal das von Candy erzählt.«
»Wer ist Candy?«, brüllt Ramona.
»Josephs Mutter!«, brüllt Tante Trixi zurück.
»Der hat eine Mutter?«, fragt Ramona.
»Nee, weißt du, Ramona, die Schwulen werden immer noch vom Storch gebracht – und keiner weiß, wo die Störche die herhaben.«
»Haha, ich dachte nur, weil die ja nie da ist.«
»Ja, das bringt tot sein so mit sich! Tschüss, Ladys!« Und schon ist Tante Trixi aus der Tür.
»Ja, bis die Tage«, murmelt Ramona.
Kaum ist sie am Haus vorbei, dreht sich Ramona zu mir um und schreit mich an:
»Wie kannst du es wagen, zu Joachim zu gehen! Er ist am Boden zerstört. Du Monstergöre, du gefühlloser Giftzwerg! Der ist am Ende, wenndu das verrätst! Am Ende, sag ich dir! Wenn das rauskommt! Ehebruch ist vor Gott Sünde!«
»Vor Gott? Und sonst so?«
»Wenn der das erfährt!«
»Wer? Gott?«
»Reiner, du Scheißkuh!« Sie wirft den Sprühreiniger mit voller Wucht auf den Boden.
»Ich schätze, Gott weiß sowieso Bescheid, das bringt Gottsein, glaube ich, so mit sich. Freut mich, dass Reiner wenigstens in deinen schlimmsten Befürchtungen die Zweitbesetzung ist. Und: selber Scheiße. Ich weiß gar nicht, was du willst, Ramona. Ich hab es doch für mich behalten, ich hätt es Reiner auch einfach stecken können, dann müsst ich mich hier nicht von dir beleidigen lassen, dann könntest du dir jetzt was von Reiner anhören! Und was deinen Turnbeutelträger Joachim angeht, der hat es ganz gelassen genommen.«
Ramona setzt sich auf einen Hocker und sieht beinahe nachdenklich aus.
»Reiner ist ein starker Mann, der überlebt das. Deshalb ist er ja mein Mann. Joachim ist sensitiv, auch wenn dir das entgangen sein sollte!«
»Himmel, Ramona! Wo hast du denn dieses Wort aufgeschnappt?«
»Er empfindet so viel! Er ist tiefgründig, und wir haben tiefgründige Gespräche.«
»Aha,
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