Das Schwein unter den Fischen
und deshalb betrügt er seine kranke Frau, ja?«
»Die schläft doch nicht mehr mit ihm, was soll er denn da machen? Und im Stehen wollte sie schon früher nie. Und überhaupt: Seit wann spielst du dich als Moralapostel auf, Stinker?«
»Lenk nicht ab, Ramona. Und keine Details bitte. Ich will davon nichts, rein gar nichts hören! Du widerst mich an!«
»Wenn du mir schon nachspionierst, dann halt das jetzt auch wenigstens aus!«, schreit sie und springt auf.
»Nee, ich muss gar nichts aushalten. Du machst jetzt genau das, was ich dir sage, oder ich erzähl Reiner, Marlies, Markus und Michaela alles, verstanden?«
Sie schaut mich fragend an, fuchtelt wild mit den Händen und sagt:
»Wer sind die?« Sie scheint es wirklich nicht zu wissen. Vielleicht ist es bei einem besonders tiefgründigen Gespräch gar nicht nötig, Namen zu nennen. Ich kläre sie auf:
»Na, seine Familie! Frau und Kinder! Du weißt nicht, wie die heißen?«
»Nein, wozu? Ich kenne nur Fotos. Reicht doch. Hübsche Kinder übrigens. Die Frau im Rollstuhl ist ’ne echt arme Sau, vor allem, weil sie mal so richtig gut aussieht.«
»Und wieso ist es bedauerlicher, wenn sie gut aussieht?«, frage ich.
»Bei den Schönen fällt Unglück immer mehr auf! Das ist so, Stint. Kannst mir ruhig glauben!«
»Woher kennst du eigentlich Joachim?«, frage ich. »In einer Kneipe hast du den bestimmt nicht kennengelernt.«
»Nee, ich kenn ihn von früher, aus dem Heim. Er war schüchtern und hat eigentlich immer komisch gerochen. Ich hab ihm als Einzige gesagt, dass er stinkt, dass seine Klamotten müffeln, als seien sie nach dem Waschen zu lange nass geblieben, so als habe man sie in irgendeinem schimmeligen Kellerloch getrocknet. Danach hat er nie wieder so komisch gerochen. Und dann hat er mir Liebesbriefe geschrieben. Aber damals kam er nicht in Frage. Früher habe ich mir immer vorgestellt, wie ich mit einem Typen zusammen als Paar aussehe. Ich wollte die anderen beeindrucken, sie neidisch machen. Mehr will man doch am Anfang nicht vom Leben. Heute will ich einfach nur noch Liebe, egal wie die aussieht.« Den letzten Satz sagt sie ganz traurig. So traurig, wie ich Ramona noch nie gehört habe. Ich räuspere mich:
»Und Joachim liebt dich?«
»Ich weiß nicht, aber es fühlt sich toll an mit ihm. Weißt du noch, als Iris gerade gestorben war, da hat sie mir doch diese dicke Warze auf die Stirn gemacht. Und genau in der Woche hab ich auch Joachim wieder getroffen. Das war alles kein Zufall, Stine!«
»Du machst es dir ganz schön leicht!«
»Nix ist niemals leicht bei mir im Leben!«, ruft Ramona.
»Ach was, bei wem ist das schon so?«
»Ich bin nicht schuld, ich hab ihn ja nicht angerufen oder so. Ich wollte Reiner gar nicht betrügen. Aber als Joachim mich ansah und meine Hand nahm, da …«
»Da was?«
»Da sah er mich dann so an mit seinen großen Augen, hast du doch gesehen, so italienische Augen, wie im Urlaub der Claudio vom Strandkorbverleih.«
»Hast du mit dem etwa auch was gehabt? Ach, nee!«
»Ich dachte, du weißt das, ähm … ich …«
»Ich weiß auf alle Fälle genug. Hör zu, ich sag dir jetzt, was du zu tun hast!«
Sie nickt und macht sich eine Dose Bier auf.
Ich setze mich auf einen Barhocker und zünde mir eine Zigarette an. Ramona fängt an, ihr Bier zu exen.
»Also, erstens wird bei der Arbeit nicht mehr gesoffen.«
Sie wirft das volle Bier in den Müll. Ich brauche Zeit, hole es daher wieder heraus und drücke es ihr in die Hand.
»Das ist das letzte Mal, warte kurz.« Ich gehe hinter den Tresen und mache mir auch eine Dose auf.
»Es wird vor allem gearbeitet.«
Ramona trinkt und nickt.
»Jeden Tag«, sage ich.
»Auch sonntags?«
»Ja, jeden Tag, damit Reiner mal freimachen kann!«
»Stine, ich bin mal ganz ehrlich mit dir, ja, ich find das eine schwierige Nummer, so ganz ohne Alkohol durch den Alltag. Wie soll ich denn da mal runterkommen?«
»Mir egal, du kriegst es eben irgendwie in den Griff!«
»Ich weiß nicht. Ich kann es versuchen. War’s das? Oder willst du mich noch mehr quälen?«
»Eine Sache noch, du könntest Reiner darin bestärken, mich wegen meines neuen Jobs nicht zu nerven.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Weil du schließlich so was wie meine Mutter bist!«
Sie sieht mich erstaunt an, ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.
»Na gut, ich tu das für dich. Ich sag ihm, dass du ihm damit nicht wehtun willst. Ich sage ihm, du musst mal raus in die Welt. Und dafür darf ich Joachim
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