Das Schwein unter den Fischen
Küche, steht Heinrich barfuß vor einem riesigen Topf und rührt schnell darin um. Ich versuche, nicht auf seine Füße zu starren. »Kochst du für das ganze Haus?«, frage ich. Heinrich beschäftigt sich erst mal weiter mit dem Inneren desgrößten Topfes, den ich je gesehen habe. Dann schaut er auf und ruft begeistert:
»Ah, da ist ja unsere Elevin, Prinzessin, Elfe! Ich kann zu wenig nicht haben, ich huldige der Verschwendung. Und der Übertreibung, stell dir vor! Was soll denn werden, wenn jemand noch hungrig ist, aber nichts mehr da ist. Eine beklemmende Vorstellung, findest du nicht? Magst du Risotto? Pilze? Steinpilze? Pfifferlinge? Austernpilze? Shiitake? Champignons? Parmesan? Das Zwiebelchen Schalotte? Brühe? Salz, Pfeffer? Ein bisschen Petersilie, ein Spritzer Zitrone? Wundertopf! Wunderbar!«
Ich sage:
»Ich mag Pilze, besonders die giftigen.«
Heinrich ruft:
»Giftig, wie schön! Aber, nein, nicht heute, so etwas gibt es an einem anderen Tag. Weißt du überhaupt, was Risotto ist?«
»Na klar, Reis mit einer Menge Sachen drin.«
»Genau! Aber was drin ist, darauf kommt es an. Das Geheimnis des Geschmacks liegt im Detail. Und rühren muss man, rühren, rühren. Man darf nicht aufhören zu rühren! Bei einem Risotto ist alles so dicht beieinander, da kriegt man nichts wieder raus. Wenn ein Teil ruiniert ist, ist der Rest auch ruiniert, alles ist ein Teil, alles ist der Rest, alles ist alles, alles ist nichts! Verstehst du? Man muss achtsam sein.«
Er schaut wieder in den Topf. Plötzlich riecht es etwas angebrannt. Heinrich wirft ein großes Stück Butter hinein, dann Wasser und Brühe und rührt.
»Wo ist Lilli?«, frage ich.
»Oben, geh doch auch hoch, du lenkst mich ab, junge Frau. Und nimm es persönlich, huhu! Geh und leiste ihr Gesellschaft.«
Bevor ich nach oben gehe, sehe ich mich ein bisschen um. Ein langer dunkler Flur führt an vielen Türen vorbei. Die Wohnung ist mit dem Dachgeschoss bestimmt zweihundert Quadratmeter groß. Ich könnte fragen, ob noch ein Zimmer für mich frei ist. Aber dann müsste ich mit Heinrichs Füßen unter einem Dach leben.
Als ich die Wendeltreppe hochsteige, fallen mir Bilder und gerahmteFotos jeder Art und Größe auf, die überall an den Wänden hängen. Vor allem Heinrich hängt dort, als junger Mann, mal mit Frauen, mal ohne, oft mit Musikern und oft verkleidet. Auch viele Zeichnungen gibt es, einige davon sind ziemlich versaut. Es stehen Gitarren und Skulpturen herum, überall liegen Platten, CDs und Kassetten. Zeitungen und Magazine sind auf den Treppenstufen und auf dem Boden verteilt. Durch das Dachfenster hängt welker Efeu bis auf den Fußboden.
Das Esszimmer befindet sich weit hinten im oberen Stockwerk, der Raum ist hell und großzügig, Gesellschaften könnten hier gemeinsam speisen oder Konferenzen abhalten. Am Kopf der gedeckten Tafel sitzt Lilli, vor sich ein gefüllter Champagnerkelch. Sie trägt eine andere Perücke als gestern und ist geschminkt. Sie hebt ihr Glas: »Celestine, ich hätte dich vermisst, wärst du nur eine Sekunde später gekommen!«
»Ich habe bei Ihnen in der Küche gesessen, die Tauben beobachtet und auf Sie gewartet. Der Zettel war auf den Boden unter den Tisch gefallen«, entschuldige ich mich.
»Ach, die schönen Ringeltauben. Hast du ihnen Namen gegeben?«
»Nein. Hätte ich das tun sollen?«
»Aber ja, natürlich, ich gebe ihnen jeden Tag neue Namen, man weiß ja nie, ob es dieselben sind.«
Sie nimmt einen Schluck.
»Gibt es etwas zu feiern?«, frage ich.
»O ja! Möchtest du auch ein Glas?«
»Was gibt es denn zu feiern?«
»Na, fällt dir nichts ein?« Sie zwinkert mir zu.
»Nein, überhaupt nichts.«
»Na, wir feiern, dass wir uns jetzt schon einen Tag kennen oder dass es gleich etwas Anständiges zu essen gibt. Oder magst du keine Pilze?« Sie macht ein trauriges Gesicht.
»Doch, sicher, warum fragen mich das alle?«
»Junge Menschen mögen doch vieles nicht. Auf der Liste von Nahrungsmitteln, die Menschen nicht mögen, stehen Pilze ganz weit oben neben Hammelfleisch, Rosinen und Käse.«
»Käse hätte ich nicht gedacht.« Ich nehme mir ein Brötchen aus einem Korb. Das Brötchen ist hart, ich krümle alles voll. Lilli sagt:
»Die Schrippe ist eine alte Schachtel. Ich vertrage sie so besser.«
Ich bemühe mich zu kauen und sage mit vollem, trockenem Mund:
»Eine schöne Wohnung hat Heinrich, so groß und verwinkelt.«
»Ja, da kann man einiges entdecken.« Lilli grinst.
»Was sind das
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