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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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mache mir nicht einmal einen Kaffee. Ich habe so tief geschlafen, dass ich mühelos hellwach bin. Ich schleiche durch die Wohnung, dusche kurz, ziehe mich an und laufe unter dem weiß-blauen Himmel zum Shoppingcenter.
    Die Verkäuferinnen, die die Glastüren aufschließen, gähnen, die Schminke verdeckt kaum die verquollenen Augen. Die Hähnchen am Spieß sind blass und kalt und fangen gerade erst an, sich zu drehen. Die Frau, die den Knopf gedrückt hat, trägt einen Kittel und silberfarbenen Lidschatten. Sie lächelt, sagt, es dauere noch ein Weilchen, die toten Hühner hätten Zeit.
    Nachdem ich alles für Lilli besorgt habe, was sie mir aufgetragen hat, ist noch Geld in dem Etui. In der Parfümerie sprühe ich Parfüm auf einen Pappstreifen. Es erinnert mich an faulige Blumen in Whiskey und heißt:
Awakening.
Ein anderes namens
Clue!
riecht nach Zuckerwatte mit Toilettenreiniger, und das Eau de Toilette
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scheint eine Mixtur der Essenzen aus Kirschlollis, Cola, aufgeweichtem Asphalt und Portwein zu sein. Ich bin gut, denke ich, vielleicht sollte ich nach einem Job fragen. Eine Verkäuferin fährt ihren langen Hals aus und trippelt um mich herum; ihre Gesichtshaut sieht cremig-glatt und perfekt aus. Sie empfiehlt, einen Duft passend zu meinem Alter zu kaufen. Sie zerrt an meiner Hand und sprüht ihren Vorschlag auf mein Handgelenk. Es riecht nach Karamellbonbons, Weichspüler und Kokosnuss. Der Flakon ist einem Babydoll nachempfunden.
    »Wie heißt das? Eau de pädophil?«, frage ich. Sie lächelt unverwüstlich, ich winke ab und gehe auf die nächste Toilette, um es abzuwaschen. In einem Klamottenladen gehe ich mit einem schwarzen Kapuzenpullover in Größe L zur Kasse. Die Verkäuferin, ungefähr in meinem Alter, weist mich darauf hin, dass es sich um einen Pullover für Männer handelt.
    In einem Elektromarkt suche ich nach Kopfhörern. Die großen sind teuer. Ein Typ, der zwei Klassen über mir war, berät mich aufdringlich. Ich lerne von ihm, dass einige der großen Kopfhörer einen Hitzestau verursachen können, obwohl sie teuer sind. Er setzt mir einen auf. Sein Lieblingswort ist »Sound«. Seine Lieblingsmusik ist Hip-Hop, der »fett produziert« ist. Schließlich habe ich »Still D.R.E.« auf drei verschiedenen Kopfhörern gehört und sogar ein bisschen getanzt. Eigentlich stehe ich auf den Track, aber es kotzt mich an, dass der Idiot, an dessen Namen ich mich nicht erinnere, ihn auch mag. Bevor ich gehe, drückt er mir einen Flyer für eine Hip-Hop-Partyin die Hand und sagt voller Stolz, da lege ein schwarzer Freund von ihm auf.
    Um ein Uhr bin ich bei Lilli in der Wohnung, die knallorangene Trockenhaube ist eingeschaltet und macht Lärm. Es hört sich an wie Staubsauger und Bohrmaschine zusammen. Und es riecht seltsam. Ich entdecke einen großen weißen Schiebeknopf an der Trockenhaube. Doch als ich ihn schiebe, wird es noch lauter, und der Geruch intensiver. In die andere Richtung wird es zwar leiser, geht aber auch nicht aus. Schließlich finde ich den richtigen Hebel. Ich bekomme einen kleinen Schlag, die Haube scheppert, dröhnt, zischt, ein bisschen Rauch steigt auf. Dann ist es still. Vorsichtshalber ziehe ich den Stecker.
    Ich rufe nach Lilli und suche sie in der ganzen Wohnung. Sogar unterm Bett und im Schrank schaue ich nach. Reiner hat früher oft unangekündigt Verstecken mit mir gespielt, obwohl ich jedes Mal anfing zu heulen. Ich setze mich in Lillis Küche und beobachte Ringeltauben, die sich im Baum vor dem Fenster paaren. Ich strecke mich, bis mir schwindelig wird, laufe ein bisschen in der Wohnung umher, ziehe meine Schuhe aus und lege die Füße auf den Küchentisch. Die Ringeltauben gurren und flattern. Ich entdecke einen Zettel auf dem Fußboden. Es ist ein Brief an mich. Lilli ist bei Heinrich, und es gibt was zu essen. Im Treppenhaus kann man es schon riechen, ich bekomme Appetit, und meine Laune steigt. Ramona nennt jedes Lebensmittel Nervennahrung. Sie hat mich einmal mit zu ihrem Hausarzt geschleppt, weil sie sicher war, ich sei magersüchtig. Der Arzt betrachtete mich mit großem Interesse, ich musste mich nur mit Unterhose bekleidet immer wieder vor ihm drehen. Dann haute der Arzt mir auf den Hintern und meinte, zum Ende der Pubertät werde ich bestimmt noch zulegen, aber ohne Rundungen sei ein so junges Mädchen wie ich doch besonders schön!
    Heinrichs Wohnungstür ist angelehnt, ich betrete ein Haus im Haus. Eine Wendeltreppe führt ins Dachgeschoss. Unten, in der

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