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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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für weiße Flecken auf Ihrer Hand?«, frage ich.
    »Mir ist der Abdeckstift ausgegangen, da habe ich Tipp-Ex genommen. Es deckt wirklich hervorragend ab!«
    »Was denn?«
    »Na, Altersflecken, hast du vielleicht gedacht, ich habe die Masern? Das wäre mein Tod. Wenn ich zu lange im Bett liegen müsste, würde ich sterben.«
    »Aber fallen diese weißen Flecken nicht viel mehr auf als Altersflecken?«
    »Kann schon sein, aber die weißen Flecken habe ich selber gemacht, die anderen nicht. Erzähl mir doch lieber mal was Interessantes!«
    »Joachim betrügt seine kranke Frau mit meiner Stiefmutter, deswegen erpresse ich ihn. Meine Forderung war der Job hier. Und gestern habe ich sie wieder zusammen erwischt, da habe ich die Bedingungen für mein Schweigen eben noch erhöht.«
    »Das ist ja herrlich, du bist eine Kriminelle.«
    »Eigentlich nicht.«
    »Doch bist du. Ist das dein Traumberuf? Altenbetreuung, meine ich.«
    »Ach, Traum. Nein, ich brauchte nur irgendeinen Job, um nicht im Imbiss zu versauern. Mussten Sie schon mal morgens um sechs Zwiebelmett machen? Ich muss das sogar manchmal essen, weil ich mich immer noch nicht traue, meinem Vater zu sagen, wie eklig ich es finde. Ich rauche und trinke mit ihm und habe Angst, seine blöde Mettpampe abzulehnen. Ich bin so ein Feigling. Dass ich jetzt diesen Job hier habe, war reiner Zufall. Oder eben Erpressung. Etwas Soziales ist aber schon von Vorteil für mich. Mein Vater hält es nämlich für wichtig, ein guter Mensch zu sein, wobei ich nicht so genau weiß, was er darunter versteht. Er weigert sich ja sogar, dieabgelaufenen Würste den Obdachlosen vorm Einkaufszentrum zu geben. Er verkauft sie lieber oder schmeißt sie weg. Er sagt, er hätte auch vorm Einkaufszentrum landen können, aber da sei er lieber nachts U-Bahn-Wagen putzen gegangen, wieder zu seiner Mutter gezogen und dann sogar in den Schrebergarten. Das sei schwerer gewesen, als den Rest des Lebens besoffen vorm Einkaufzentrum rumzuhängen und zu betteln. Kaputtgehen sei das Leichteste, das könne doch jeder, und jeder kriege seine Würstchen eben nicht für umsonst. So sagt es Reiner. Er sagt auch, wenn er mich einmal erwischt, wie ich den Kaputtzkis was von seinem Fleisch schenke, feiern wir nie wieder meinen Geburtstag.«
    »Dein Vater scheint ein Mann mit Prinzipien zu sein. Aber wenn du nur hier bist, weil deine Stiefmutter mit Joachim die Laken knittert, heißt das, wenn Joachim ein Zoodirektor wäre, würdest du jetzt vielleicht Bisonkot durch die Gegend karren?«
    »Ja, schon möglich.«
    »Und wenn deine Stiefmutter es mit einem Bordellchef getrieben hätte, würdest du jetzt auf den Strich gehen?«
    Sie hatte recht, mit einer selbständigen Entscheidung für mein Leben hatte das mal wieder nichts zu tun. Und ich würde Ramona einen Zuhälter zutrauen. Oder einen von der Bank, dann hätte ich jetzt eine Banklehre an der Backe.
    »Was willst du eigentlich, Celestine?«
    Lilli legt mir ihre weiß gepunktete Hand auf meine Hand.
    »Wenn ich das wüsste, würde ich nicht hiersitzen. Ich habe einmal überlegt, ob ich Kunst studiere, aber was soll das bringen? Reiner würde es nicht verstehen, er sieht sich ja nicht mal meine Zeichnungen an! Und eigentlich läuft es doch gerade ganz gut für mich, es ist alles in Ordnung.«
    »Das Leben sollte aber nicht bloß ›in Ordnung‹ sein. In Ordnung? Sonst wird man schon sehr jung sehr müde. Wir können uns ja auch sehen, wenn du eine andere Beschäftigung gefunden hast. Und ich glaube dir irgendwie nicht, dass deine Überlegung, Malerei zu studieren, bloß ein zufälliger Gedanke war.«
    Sie sieht mich an.
    »Dr. Ray behauptet, ich gestehe mir nicht ein, was ich bin und will, weil ich dafür meinen Vater verlassen müsste, und zwar nicht bloß räumlich.«
    »Wie heißt noch mal dieser große schwarz-weiße Vogel?« Sie steht auf und öffnet ein kleines Fenster.
    »Pinguin«, sage ich beiläufig.
    »Ach ja! Siehst du, jetzt ist der Pinguin erschrocken und weggeflogen. Dabei bin ich doch nur eine nette alte Dame, die ihm was von ihrem alten Brötchen abgeben wollte.
    Ich drehe mich verwundert um. »Da saß ein Pinguin?«
    »Ja, auf dem Dach gegenüber, sieh doch nur, jetzt sitzt er ein Haus weiter auf der Antenne, ich kann ihn kaum noch erkennen, so schlecht sind meine Augen.«
    »Aber wo kommt der denn her? Ist der aus dem Zoo ausgebrochen?«, frage ich und besinne mich. »Lilli, ein Pinguin flattert nicht, ein Pinguin fliegt nicht, er steht herum,

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