Das Schwert der Keltin
Caradoc warf Dubornos einen durchbohrenden Blick zu, sagte jedoch nichts.
Der Kaiser nickte abermals. In diesem Augenblick ging es um mehr als das Protokoll, und jemandem, der ohnehin bereits zum Tode verurteilt war, konnte er wohl kaum noch eine weitere Strafe auferlegen. Valerius dagegen musste nun tatenlos mitansehen, wie einer der Männer, die er aufs Tiefste verabscheute, jetzt auch noch unnötige Risiken auf sich lud, nur um ihn, Valerius, zu schützen. Flüsternd eilten die Geister wieder an Dubornos’ Seite, und nickend lauschte er ihren Worten.
Claudius aber wandte sich wieder an Caradoc: »Man bedroht unser Leben. Und das kann einfach nicht geduldet werden. Also wird deine Familie den Preis dafür zahlen. Nur du allein sollst überleben, wie einst Vercingetorix. Für den Rest deines Lebens in sichere Verwahrung gesperrt - die Geisel für mein Leben. Die anderen sollen im Laufe der kommenden Tage sterben.«
Nun war Caradoc wieder Herr seiner selbst. Laut und auf Lateinisch, um über den Kaiser hinaus auch den Senat zu erreichen, erhob er seine Stimme: »Und so wird der unübertreffliche Claudius von ein paar wilden Wahrsagern und Barden in die Knie gezwungen? Da hätte ich wahrlich mehr von Euch erwartet. Und auch, dass ein Schwur unter Königen bindende Wirkung hat.«
Ganz unverblümt versuchte Caradoc, Claudius dazu zu reizen, ihn eben doch hinrichten zu lassen - die Verzweiflungstat eines Mannes, der jeden Tod dem Leben vorzog, ganz egal, wie ihn dieser ereilen sollte. Valerius - auch er lauschte aufmerksam Caradocs Worten - registrierte beunruhigt, wie seine Manipulationsversuche langsam im Sande verliefen, und zum ersten Mal dämmerte ihm, dass die Geister seine Seele womöglich noch besser kannten, als er dachte.
Gedankenverloren, mit grüblerisch geschürzten Lippen, starrte Báns Mutter ihren Sohn an. Schweigend warnte er sie. » Ich bin nicht dein Werkzeug, weder jetzt noch sonst irgendwann. Und wenn Caradoc unbedingt sterben will, dann werde ich bestimmt nicht seinen Retter spielen.« Báns Mutter hob daraufhin lediglich leicht die Brauen und lächelte; ihm aber rieselte ein Schauer über den Rücken.
Unterdessen nahmen auf dem Podest des kaiserlichen Tribunals Claudius und die Senatoren Caradocs Worte mit dem gebührenden Ernst entgegen. Die Erste, die sich äußerte, war Agrippina, und leicht amüsiert doch mit deutlichem Missfallen machte sie eine abwertende Geste mit der Hand. Ihr Lächeln war nun nicht länger Caradoc zugewandt, sondern Claudius, dessen Tod schließlich ihren sechzehnjährigen Sohn auf den Thron heben würde. Niemand allerdings zweifelte daran, wer in diesem Falle die Zügel in Wahrheit in der Hand halten würde, und einige der Männer des Senats sahen eben diese Möglichkeit plötzlich deutlich näher rücken.
»Der Barbar ist recht kühn«, stellte die Kaiserin fest. »Ich habe selten gehört, wie ein Mann so gewitzt um seinen eigenen Tod gebettelt hat. Ganz offenbar möchte er dich also dazu bewegen, genau das Gegenteil zu beschließen. Der Nachdruck, mit dem er seine Bitte vorgebracht hat, ist doch der Beweis für seine wahren Absichten. Ich dagegen würde vorschlagen, dass du ihm ganz einfach gewähren solltest, wonach er sich ja augenscheinlich geradezu verzehrt. Lass ihn töten - genau so, wie du es ursprünglich ohnehin schon angeordnet hattest. Danach werden wir sowohl Jupiter als auch Mars Ultor ein Opfer bringen, und dann werden wir ja sehen, ob es seine Wahrsager auch mit unseren Göttern aufnehmen können.«
»Und doch könnten wir schmerzlich bedauern, was wir in Hast verbrochen.« Claudius hatte sich zwischenzeitlich wieder gesetzt, das Kinn müde in die Hand gestützt, und schien mit dem Lorbeerkranz, der ihm nun bis über die Brauen gerutscht war, geradezu ein zweiter Augustus zu sein - die Verkörperung der Wahrheit und der Hüter der wohlfeilen Gerechtigkeit. »Dieser Mann ist ein Krieger, und unter seinem Volke gilt er sogar als König. Außerdem ist es hinlänglich bekannt, dass die Könige der Barbaren sich zuweilen sogar selbst einem höheren Ziel opfern. Möglicherweise also weiß er durchaus um die Macht der Träumer und denkt nun, dass sein Tod diesen nur noch weitere Kräfte zukommen ließe. In diesem Falle wäre es nur natürlich, wenn er auf seinen eigenen Tod hinarbeitete.«
Narcissus beendete gerade seine Verkündungen an das Volk von Rom. Ganz so, als ob man ihn um eine Stellungnahme gebeten hätte, mischte er sich nun in die
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