Das Schwert der Keltin
lebende Verwandte sein. Ich glaube, sie wird eines Tages eine große Träumerin sein, ausgestattet mit einer Macht und einem Vermögen, die sie Airmid oder Luain mac Calma ebenbürtig machen werden. Aber das wird nur geschehen, wenn sie unbeschwert heranwächst, bis zu ihren drei langen Nächten in der Einsamkeit und darüber hinaus. Sie darf daher vorerst noch nicht wissen, welche Fähigkeiten sie besitzt; das würde ihre Entwicklung beeinträchtigen. Du musst mir also beim Leben der Ahnen schwören, dass du ihr ohne meine Erlaubnis niemals etwas davon sagen wirst. Wirst du das tun?«
Auf ihre ganz eigene Art konnte Breaca Wunder bewirken, wenn auch nur bei ihrem Sohn. Die neu geborene Schwester sollte eine Träumerin sein, keine Kriegerin, und daher stellte sie für ihn keine Bedrohung dar. Und mehr noch: Er würde mit der ehrenvollen Aufgabe betraut werden, der Krieger zu sein, der einer Träumerin zur Seite stand, genauso wie seine Mutter Airmid zur Seite stand. Seine Gefühle für Airmid waren ziemlich vielschichtig, doch auf dem Grund seiner Empfindungen lagen Ehrfurcht und ein gewaltiger Respekt. Luain mac Calma gegenüber empfand er die Furcht eines Kindes, das einen Mann Blitz und Donner vom Himmel hat herabbeschwören sehen und ihn daraufhin für einen Halbgott hält.
Cunomars Augen strahlten vor Stolz und Freude, leuchteten jetzt wahrhaft bernsteingelb. Der Eid, den er nun feierlich schwor, war lang und kompliziert und verpflichtete ihn in Krankheit, Gesundheit und allen möglichen Arten von Trunkenheit strikt und unwiderruflich dazu, seiner Schwester kein Sterbenswort von ihrer möglichen Zukunft zu verraten. Nur über den Namen des Kindes, der ihm fremd war, stolperte er.
»Graine. Sie heißt Graine, nach meiner Mutter. Gut. Also, wenn dein Vater und ich im Kampf fallen sollten, wird Graine jemanden brauchen, der sie beschützt. Ich könnte ja einen der anderen Krieger fragen, aber am besten wäre es, wenn ihr Bruder, der sie immer lieben wird, diese Aufgabe übernimmt. Vorläufig darf sie erst mal nur wissen, dass du sie als ihr Bruder beschützt. Erst später können wir ihr dann sagen, dass du auch der Krieger sein wirst, der ihr, der Träumerin, zur Seite steht. Würdest du mir das geloben, hier und jetzt, bei der Schlangenspeer-Klinge?«
Cunomars Lächeln spiegelte die Sonne wider. Er mochte seine Mutter zwar innig lieben und Luain mac Calma fürchten, doch das Schwert seiner Mutter betrachtete er mit der weitaus prosaischeren Verehrung eines zukünftigen Kriegers für die Waffe, die eines Tages ihm gehören wird.
Es hing an einem Haken über dem Schlafplatz, wo es stets griffbereit war. Breaca erlaubte ihm, das Schwert herunterzunehmen und es - noch immer in seiner Scheide steckend - neben sie auf die Felle zu legen. Vorsichtig zog sie die Waffe eine Handbreit aus der Lederscheide heraus, so dass die fischgrätartigen Linien der Schweißmuster im Licht schimmerten. Dennoch verriet der Anblick so gut wie nichts über seine Geschichte: über die vielen Monate, die es gedauert hatte, das Schwert zu schmieden, über die viele Arbeit, die Breacas Vater und sie selbst in die Anfertigung gesteckt hatten, über die Ströme von Schweiß, die dabei geflossen waren, über die zahllosen Feinde, die später durch diese Waffe gestorben waren. Als Cunomar nun das prachtvolle Schwert sah, schnappte er mit der freudigen Verzückung eines Kindes nach Luft. Breaca, die sich an den Anblick der Klinge längst gewöhnt hatte, fühlte ihr Lied als ein schwaches Pulsieren in der alten Narbe in ihrer Handfläche, die ein Überbleibsel ihres allerersten Kampfes mit einem feindlichen Krieger war und die sie stets vor einer bevorstehenden Schlacht warnte.
Dieser Eid war wesentlich förmlicher. Seit Generationen schon hatten die Krieger, die sich dazu verpflichteten, einen bestimmten Träumer zu beschützen, dies mit Worten gelobt, die bereits zur Zeit der Ahnen festgelegt worden waren. Breaca sagte Cunomar gerade die entsprechenden Formeln vor, damit er sie nachsprechen konnte, als plötzlich ein Schatten durch die offene Tür fiel. Sie zählte fünf Beine und wunderte sich darüber, dass Hail so zurückhaltend war. Es war überhaupt nicht die Art des Hundes, stumm zu bleiben, wenn sich jemand näherte - außer wenn der Betreffende ihn daran hindern konnte, warnend zu bellen, oder wenn Hail wusste, dass eine solche Warnung unnötig war. Eine leichte Brise brachte die Gerüche nach Pferde- und Männerschweiß und den
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