Das Schwert des Liktors
täuschten, wie sie auch andere zu täuschen suchten. Es war Spott darin, aber der Spott galt meiner Person, nicht der Magie. »Vielleicht«, antwortete ich. »Was weißt du über meine Gaben?«
»Daß sie nicht ausreichen, dich von hier zu befreien.«
»Ich habe nicht versucht, mich zu befreien, bin aber trotzdem schon frei gewesen.«
Das mißfiel ihm. »Du bist nicht frei gewesen. Du hast lediglich den Geist der Dame herbeigerufen!«
Ich atmete tief durch, bemühte mich aber, keinen Laut dabei von mir zu geben. Im Vorzimmer des Hauses Absolut hatte ein kleines Mädchen mich einst mit einer großwüchsigen Dame verwechselt, als Thecla meine eigene Person in den Hintergrund gedrängt hatte. Nun hatte die Thecla meiner Erinnerung offenbar durch meinen Mund gesprochen. Ich entgegnete: »Ich bin also bestimmt ein Nekromant, der über die Geister der Toten gebietet. Denn diese Dame ist tot.«
»Du sagtest, du habest sie befreit.«
»Das war eine andere, die dieser nur ein bißchen ähnelte. Was habt ihr mit meinem Sohn gemacht?«
»Er nennt dich nicht seinen Vater.«
»Er leidet unter Wahnvorstellungen«, bemerkte ich.
Eine Antwort blieb aus. Nach einer Weile erhob ich mich und ließ die Hände abermals tastend über die Wände meines unterirdischen Kerkers gleiten; sie waren nach wie vor aus blanker Erde. Ich hatte kein Licht bemerkt und keinen Laut vernommen, aber es wäre denkbar gewesen, daß die Falltür mit einer tragbaren Bedeckung abgedunkelt und, falls ordentlich gebaut, lautlos zu öffnen wäre. Ich stieg auf die erste Sprosse der Leiter. Sie ächzte unter meinem Gewicht.
Ich trat eine Sprosse höher, dann noch eine, und jedesmal ächzte das Holz. Ich wollte zur vierten Sprosse steigen, spürte dabei aber an Kopf und Schultern Stiche wie von spitzen Dolchen. Vom rechten Ohr rann Blut über meinen Hals.
Ich wich auf die dritte Sprosse zurück und tastete nach oben. Das Gebilde, das mir beim Betreten der unterirdischen Kammer wie eine zerlöcherte Matte vorgekommen war, erwies sich als ein Kreis aus knapp zwei Dutzend Bambusspießen, die mit nach unten gerichteten Spitzen irgendwo im Schacht verankert waren. Ich konnte mich beim Absteigen mühelos hindurchzwängen, weil mein Leib sie zur Seite gedrückt hatte; nun behinderten sie mein Vorankommen, gleichsam wie die Widerhaken an einem Fischspeer den Fisch am Entkommen hindern. Ich ergriff einen und wollte ihn abbrechen, was mir aber, obwohl ich’s mit zwei Händen vermocht hätte, mit einer nicht gelang. Hätte ich Licht und Zeit gehabt, hätte ich mir einen Weg durch dieses Hindernis bahnen können; Licht hätte ich mir vielleicht verschaffen können, aber ich wollte dieses Wagnis nicht eingehen. Also sprang ich wieder auf den Boden.
Eine weitere Runde durch die Kammer vermittelte mir nichts, was ich nicht schon wußte, dennoch hatte ich Zweifel, daß der Fragesteller lautlos über die Leiter gekommen wäre, auch wenn er vielleicht gewußt hätte, wie die Bambusspieße zu überwinden wären. Auf allen vieren kroch ich über den Boden, entdeckte aber nicht mehr als bisher.
Ich versuchte, die Leiter zu verrücken, aber sie war festgemacht; also sprang ich, in der Ecke beim Schacht beginnend, an der Wand empor, so hoch ich konnte, trat einen halben Schritt zur Seite und sprang abermals. Als ich an eine Stelle gelangt war, die dem Platz, an dem ich gesessen hatte, etwa gegenüberlag, fand ich’s: das viereckige Loch, ungefähr eine Elle hoch und zwei breit, mit der Unterkante knapp über meinem Kopf. Der Fragesteller hätte leise mit einem Seil herabklettern und auf die gleiche Weise wieder verschwinden können; wahrscheinlich aber hatte er lediglich Kopf und Schultern hindurchgestreckt, so daß seine Stimme klingen mußte, als wäre er tatsächlich bei mir in der Kammer. Ich hielt mich an der Kante der Öffnung fest, so gut es ging, sprang und stemmte mich hinauf.
Das magische Duell
Die sich anschließende Kammer hatte große Ähnlichkeit mit derjenigen, in die ich eingesperrt gewesen war, obgleich sie etwas höher lag. Es war darin natürlich stockfinster, aber da ich mir nun sicher war, nicht mehr beobachtet zu werden, nahm ich die Klaue aus ihrem Säckchen und sah mich in ihrem, wenn auch dürftigen, Licht um.
Es war keine Leiter vorhanden, aber eine schmale Tür führte anscheinend in eine dritte unterirdische Kammer. Die Klaue verbergend, trat ich hindurch, fand mich allerdings vielmehr in einem Stollen wieder, der nicht breiter
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